Leben in der Zukunft

23.03.2017

Wie wir im Alter woh­nen wer­den

Am liebsten wollen wir möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben. Dank besserer Fitness und technischer Neuerungen wird das künftig leichter.

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Ältere Menschen wollen am liebsten in den eigenen vier Wänden und in ihrer vertrauten Umgebung wohnen. 

Wer einen Wohnsitz für das Alter sucht, hat heute die Qual der Wahl. Ob betreute Wohngemeinschaften, Senioren-WGs oder Mehrgenerationenhäuser – das Angebot an alternativen Wohnformen ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Doch so groß die Vielfalt auch ist, am wohlsten fühlen sich die Älteren in den eigenen vier Wänden. Rund 91 Prozent der über 65-Jährigen leben in einer normalen Wohnung, selbst zwei Drittel der Pflegebedürftigen unter ihnen werden zu Hause versorgt.

„Ältere Menschen wollen am liebsten in den eigenen vier Wänden und in ihrer vertrauten Umgebung wohnen“, erklärt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum. Und daran werde sich auch nichts ändern. „Weil die Älteren immer gesünder sind, werden sie auch in Zukunft lange in ihrer Wohnung bleiben können“, so Vornholz. Die viel zitierten Alten-WGs – sie werden wohl ein Großstadtphänomen bleiben.

Bis 2025 werden drei Millionen altersgerechte Wohnungen gebraucht

Für die Immobilienwirtschaft muss es deshalb darum gehen, die vorhandenen Wohnungen so umzurüsten, dass sie älteren Menschen möglichst lange ein selbstständiges Leben erlauben. Die Bundesregierung schätzt, dass bis 2025 rund drei Millionen seniorengerechte Wohnungen benötigt werden, bislang gibt es etwa 700.000 davon. Doch die Zahlen sind umstritten, weil es keine Definition für altersgerechte Wohnungen gibt. Als Mindestanforderungen gelten barrierefreie Zugänge, breite Türen, schwellenlose Böden sowie ausreichend große Bäder – verbunden mit einer bodengleichen Dusche.

Im Neubau zählt vieles davon schon zum Standard – ohne dass die Wohnungen unbedingt als altersgerecht angepriesen werden. „Der Begriff ,altersgerechtes Wohnen‘ klingt nach Abschiebung und wird deshalb oft gemieden“, sagt Vornholz. Zudem würden Annehmlichkeiten wie Fahrstühle oder schwellenfreie Böden von Jüngeren ebenso geschätzt. Auch Thomas Beyerle, Chefanalyst der Immobilienanlagegesellschaft Catella, hält eine Abgrenzung für schwierig. „Technische oder architektonische Neuerungen unterscheiden grundsätzlich nicht zwischen Alt und Jung“, sagt er. Zwar würden Wohnungen stets für eine bestimmte Zielgruppe konzipiert, hinterher vermischten sich jedoch die Segmente. „Ein Single-Apartment kann ebenso gut als kleine Wohnung für einen Rentner genutzt werden“, so Beyerle.

Bodengleiche Duschen gelten als Designelement, wurden aber für Ältere erdacht

In den vergangenen 15 Jahren seien viele Anforderungen an ein barrierefreies Leben im Wohnungsbau bereits berücksichtigt worden, ohne dass sie heute als altersgerechte Ausstattung wahrgenommen würden, so Beyerle. „Bodengleiche Duschen oder schwellenfreie Böden werden oft als Designmerkmal betrachtet, obwohl der Impuls dafür von außen kam.“ Umgekehrt verhält es sich mit bodentiefen Fenstern: Ursprünglich von Architekten als Stilelement erdacht, sind sie gerade auch für ältere Menschen sehr praktisch. „Sie haben dadurch eine bessere Sicht auf ihre Umgebung. Auch das hat etwas mit Teilhabe am öffentlichen Leben zu tun“, betont der Immobilienexperte.

Angehende Wohnungseigentümer sollten jedenfalls frühzeitig an ihre Bedürfnisse im Alter denken. „Junge Menschen sollten schon beim Bau oder Umbau der Immobilie darauf achten, dass sie altersgerecht gestaltet ist“, rät Vornholz von der EBZ Business School. Dazu gehören für ihn auch ausreichend große Bewegungsradien, die ein Rangieren mit Rollstuhl oder Rollator ermöglichen. Auch die Schlafzimmer sollten nicht zu klein sein, um im Pflegefall technische Geräte unterbringen zu können. Später, so beobachtet es Beyerle, sei die Bereitschaft für größere Änderungen gering. „Die Menschen bauen ihre Wohnungen erst dann altersgerecht um, wenn es wirklich nicht mehr anders geht.“ Es sei oft eine reaktive Entscheidung, keine langfristig geplante.

Technik erleichtert selbstbestimmtes Leben im Alter

Zur Planung gehören zunehmend auch technische Hilfsmittel. Unter dem Schlagwort Ambient Assisted Living Systeme (AAL) gibt es diverse Assistenzsysteme, die das Wohnen im Alter erleichtern und die sich relativ leicht installieren lassen. Das fängt mit dem einfachen Notknopf an, geht über sprach- oder gestengesteuerte Haustechnik und medizinische Kontrollfunktionen bis hin zu neuen Kommunikationswegen wie Bildtelefonie. „Mit der passenden Technik in den eigenen vier Wänden können Senioren unter Umständen in der gewohnten Umgebung bleiben und müssen nicht in ein Pflegeheim“, hebt Andreas Braun, Abteilungsleiter für „Interactive Multimedia Appliances“ am Fraunhofer IGD, die Vorteile der Technik hervor.

Doch auch sie nützt nicht nur Älteren. Ein Sensorboden, der Stürze registrieren und automatisch einen Pflegedienst rufen kann, eignet sich beispielsweise genauso gut als Alarmanlage. „Automatische Lichtsteuerung oder das Bewegen von Jalousien mit einer Handgeste möchte man in keinem Alter mehr missen, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat“, betont Braun. Viele AAL-Anwendungen sind bereits erhältlich; was jedoch noch fehlt, ist ein offener Standard, der die Einzellösungen zum einem intelligenten System verbindet. Die EU hat dazu mit ReAAL ein Pilotprojekt angestoßen, an dem das Fraunhofer-Institut mitarbeitet. Braun ist optimistisch, dass sich in den kommenden Jahren ein offener Standard etablieren wird.

Vernetztes Zuhause erzeugt viele Daten

Grenzen setzt weniger die Technik, als vielmehr die Frage nach dem Umgang mit den Daten, die ein vernetztes Zuhause erzeugt. „Vieles davon hat mit Überwachung zu tun“, gibt Beyerle zu Bedenken. Etwa das intelligente Klo, das den Urin untersucht und die Messwerte automatisch an den Arzt übermittelt. Deshalb spielt der Datenschutz eine wichtige Rolle: Braun und seine Kollegen arbeiten daher an Lösungen, die es den Bewohnern erlauben, selbst zu entscheiden, welche Informationen die Wohnung an wen sendet. „Es dürfen immer nur die Daten zu der festgelegten Person gelangen, bei der ich das explizit auch so haben möchte“, betont Braun.

So fördert der Staat den altersgerechten Umbau

Der Staat fördert den altersgerechten Umbau. Immobilienbesitzer und Mieter können bei der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Zuschüsse beantragen für Umbauten, die die Barrierefreiheit verbessern. Für Einzelmaßnahmen liegt der Zuschusssatz bei zehn Prozent der förderfähigen Kosten, wer den Standard Altersgerechtes Haus erfüllt, kann sogar 12,5 Prozent bekommen. Die Fördergrenze liegt bei 50.000 Euro pro Wohneinheit, so dass ein Zuschuss von maximal 6250 Euro möglich ist. Alternativ bietet die KfW auch zinsgünstige Darlehen an.

Der Katalog der förderfähigen Maßnahmen ist sehr umfangreich: Er umfasst sowohl den Bau von Rampen zur Überwindung von Stufen, die Verbreiterung von Türen oder den Einbau von Treppenliften. Auch aufwendige Grundrissänderungen, der Kauf von altersgerechten Assistenzsystemen wie Rollläden oder die Neugestaltung von Bädern lassen sich über das Programm finanzieren.