Wie bessere Hygiene die Lebenserwartung erhöht hat
Ohne sauberes Wasser oder eine funktionierende Sanitärversorgung würden wir nicht so alt. Auch die Corona-Krise zeigt, wie viel Gesundheit mit Sauberkeit zu tun hat.
Wasserhahn auf, Hände einseifen, mindestens 20 Sekunden schrubben: Maßnahmen wie das Händewaschen sind derzeit die stärksten Waffen im Kampf gegen Covid-19. Ein simpler Akt, der von möglichen Viren auf der Haut befreit und vor einer Infektion schützt.
Die Corona-Pandemie verdeutlicht, wie viel Gesundheit auch mit Hygiene zu tun hat. Eine Lebenserwartung von heute durchschnittlich 81 Jahren? Undenkbar ohne Handhygiene und sauberes Trinkwasser, ohne geregelte Müllabfuhr und sanitäre Anlagen in jedem Haushalt. Blickt man in der Geschichte zurück, wird klar: Hygienische Prävention ist durchaus mit medizinischen Meilensteinen wie der Entwicklung von Schutzimpfungen, Antibiotika oder des Herzschrittmachers vergleichbar.
Bedeutung der Hygiene wird lange verkannt
Noch zur Zeit des Barocks Mitte des 18. Jahrhunderts war Sauberkeit ohne Belang, ja geradezu verpönt. In allen sozialen Schichten folgte man der bizarren Theorie, verstopfte Hautporen würden die „Körpersäfte“ im Gleichgewicht halten und vor eindringenden Krankheiten schützen. Erst mit der Zeit der Aufklärung setzte sich langsam eine neue Sicht durch. Man begann, naturwissenschaftlich zu denken und Gesundheit zunehmend mit äußerlicher Sauberkeit und Wohlgeruch zu verbinden. Erste Bakterien wurden entdeckt und damit der Grundstein für die Erkenntnis gelegt, dass diese über Luft, Wasser oder Hautkontakt von Mensch zu Mensch wandern.
Einer, der die Gefahr von Infektionsketten erkannte, war Ignaz Semmelweis. Der ungarische Gynäkologe trat 1846 seinen Dienst am Allgemeinen Krankenhaus in Wien an und leitete dort eine der beiden Geburtskliniken. Was ihm dabei auffiel: Während auf seiner Station jede zehnte Wöchnerin an Kindbettfieber starb, überlebten auf der anderen fast alle Mütter. Die Ursache entdeckte er beim Personal. Hier Hebammen, dort Studenten, die morgens Leichen obduzierten und abends bei Geburten halfen. Blutverschmiert und ohne sich die Hände zu waschen. Semmelweis führte daraufhin die Desinfektion mit Chlorkalk ein und siehe da: Die Sterblichkeit sank auf zwei Prozent. Der Mediziner ging damit als „Retter der Mütter“ in die Geschichte ein.
Museum in Dresden widmet sich eigens der Hygiene
Um das Volk auch im Alltag zu mehr Reinlichkeit zu erziehen, fanden ab den 1880er-Jahren regelmäßig Hygiene-Ausstellungen statt. 1912 wurde in Dresden sogar ein ganzes Hygiene-Museum eröffnet. Man informierte über Körperpflege, erklärte die Vorteile pasteurisierter und damit keimarmer Milch und zeigte, wie man sich mit hygienischen Maßnahmen vor dem von Robert Koch entdeckten Tuberkulose-Erreger schützen konnte.
Hygiene wurde zu einem öffentlichen Thema, was viele Verbesserungen mit sich brachte. Max von Pettenkofer, Chemiker und Inhaber des ersten deutschen Lehrstuhls für Hygiene, war dabei eine treibende Kraft: Ab 1881 ließ er München hygienisch sanieren, ließ eine moderne Kanalisation und eine zentrale Trinkwasserversorgung bauen. Andere deutsche Städte zogen bald darauf nach.
Noch immer kostet mangelnde Hygiene Menschenleben
Spätestens ab den 1950ern war Sauberkeit dann allgemein ein hohes Gut. Drogerien bestückten ihre Regale mit Reinigungsmitteln und Pflegeprodukten. Der erste TV-Spot in den USA warb für Seife, der in Deutschland für Waschmittel. Die Toilette mit Wasserspülung wurde zum Standard und bekam zusammen mit Dusche, Badewanne und Waschbecken einen eigenen Raum in Wohnungen und Häusern. Heute stirbt hierzulande niemand mehr an Cholera durch mit Fäkalien verunreinigtes Wasser, nahezu alle Kinder überleben die ersten fünf Lebensjahre.
Das ist aber nicht überall auf der Welt so. In ärmeren Ländern fallen auch heute noch etliche Menschen Durchfallerkrankungen wie der Cholera zum Opfer, darunter viele Kinder. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt die Zahl der Todesfälle, die auf hygienische Mängel oder eine unzureichende Sanitär- und Wasserversorgung zurückgehen, auf mehr als 800.000 pro Jahr. Schlechte hygienische Bedingungen erschweren in den Entwicklungsländern nun auch die Eindämmung des Corona-Virus. Mal eben den Wasserhahn aufdrehen und Hände waschen – rund drei Milliarden Menschen weltweit haben in ihrem eigenen Zuhause dazu nicht die Möglichkeit.