Gesunder Humor

23.07.2018

Wer bis zuletzt lacht, lebt am längs­ten

Wer trotz kleiner und großer Probleme mit Humor aufs Leben blickt, kann selbiges damit verlängern. Aber Lachen ist aus Sicht der Wissenschaft noch nicht einmal das Wichtigste.

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Miteinander lachen: Humor ist gut für Freundschaften und die sind gut gegen Einsamkeit im Alter.

Auf Gesundheitsratschläge hat Jeanne Calment zeitlebens nie viel gegeben. Sie liebte ihr tägliches Gläschen Portwein und quarzte jahrzehntelang mehrere Zigaretten am Tag. Dennoch überlebtedie Französin all ihre Verwandten und war, als sie 1997 mit 122 Jahren starb, der bis heute älteste Mensch der Welt. Was Calment zu einem solch biblischen Alter verhalf, darüber rätselt die Wissenschaft. Waren es die Gene? Einfach nur Glück? Oder doch der Lebensstil? Schließlich nahm sie noch mit 85 Fechtunterricht und schwang sich selbst als 100-Jährige auf ihr Fahrrad.

Vielleicht lag ihr Geheimnis aber auch in der Antwort verborgen, die sie einem jungen Journalisten anlässlich ihres 120. Geburtstages gab. Auf dessen Frage, ob sie sich wohl im nächsten Jahr wiedersehen würden, erwiderte sie trocken: „Warum denn nicht? Sie sehen doch noch recht gesund aus!“

Humor ist ein Stresskiller

Für Willibald Ruch ist Calments Reaktion ein Musterbeispiel für gesunden Humor: „Hier meistert jemand das Alter mit einem Lachen – und nimmt ihm damit ein bisschen von seinem Ernst.“ Ruch, Professor für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich, ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Humorforschung. Seit mehr als 40 Jahren widmet er sich der Lebensfreude und dem Lachen mit wissenschaftlichem Ernst. Aus zahlreichen Studien weiß er: Humor ist weit mehr als Witze erzählen oder den „Klassenclown“ geben. Und hat nichts damit zu tun, ob wir Mario Barth brüllend komisch finden oder vor seinen Gags schreiend davonlaufen.

„Humor ist eine Charakterstärke, die das Leben erleichtert“, sagt Ruch. „Durch ihn kommen wir mit widrigen Situationen des Alltags wie Krankheit und Verlust besser zurecht, verfallen weniger in Stress und negative Gefühle – und können dadurch auch den Alterungsprozess positiv beeinflussen.“

Problemen nicht das Feld überlassen

Vor allem der soziale Aspekt, das Miteinander-Lachen, tue der geistigen Gesundheit immens gut, so der Psychologe. Wie kaum etwas anderes helfe Humor, Freundschaften zu pflegen, Bindungen zu stärken und damit der Einsamkeit im Alter vorzubeugen. Zudem ermöglicht Humor, sich und seine Schwächen nicht allzu ernst zu nehmen, sondern auch mal über sich selbst zu lachen. So lässt sich vielleicht auch erklären, warum Jeanne Calment ihr Leben selbst angesichts eines nachlassenden Seh- und Hörvermögens als glücklich empfand.

„In unseren Studien konnten wir zeigen, dass Humor einer der wichtigsten Faktoren für Lebenszufriedenheit ist. Durch ihn verlieren Probleme an Gewicht.“ Sogar eine lebensverlängernde Wirkung hält Ruch nicht für ausgeschlossen. Bei Sorgen, Stress oder Einsamkeit könne Humor wie ein Gegenmittel wirken. „Das erhöht durchaus die Chance auf ein längeres Leben.“

20 Prozent mehr Zeit bis zur „letzten Pointe“

Zaubert Humor also nicht nur Freude in unser Leben und Lachfältchen in unser Gesicht? Die Forschung steht hier noch ganz am Anfang. Die Ergebnisse der Handvoll Studien dazu sind allerdings ein Weckruf für alle Miesepeter unter uns. Wissenschaftler an der Harvard Universität begleiteten beispielweise über 75 Jahre hinweg fast 300 Probanden vom Studium bis zum Ruhestand. Beeindruckend: All jene, die bereits in ihren jungen Jahren humorvoll waren, beschrieben ihr Leben nicht nur als besonders glücklich, sondern wurden auch am ältesten.

Ein norwegisches Forscherteam bezifferte in einer Langzeitstudie mit rund 53.000 Teilnehmern sogar den Überlebensvorteil. Demnach verlängert Humor das Leben im Alter um rund 20 Prozent. Vor allem weil Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionen und Krebs deutlich seltener auftraten beziehungsweise die Genesung positiver verlief. Zudem schätzten Menschen mit viel Humor ihre Gesundheit besser ein und fühlten sich gesünder als ihre eher sauertöpfischen Studien-Mitstreiter.

Lachen ist so gesund wie Joggen

Die Medizin hat den Frohsinn mittlerweile als therapeutisches Mittel entdeckt. Blutdruck und Schmerzempfindlichkeit sinken, die Verdauung wird angeregt, wir schlafen besser. Noch  Stunden nach einem Lachanfall ist die Zahl der natürlichen Killerzellen im Blut erhöht, was die Abwehr gegenüber Krebs und kardiovaskulären Krankheiten stärkt. Klinikclowns verbessern die geistige Verfassung von Demenzpatienten, durch Humortrainings werden Menschen mit Depressionen erfolgreich behandelt. Und bei Lachyoga und -meditation wird unter fachmännischer Anleitung der Heiterkeit gefrönt. Rund 240 dieser quietschvergnügten Vereine gibt es allein in Deutschland.

Übrigens: 20 Sekunden Lachen entsprechen etwa der körperlichen Leistung von drei Minuten schnellem Rudern oder Laufen.

Humor kann man trainieren

Für die positive Wirkung des Humors sei das Lachen aber gar nicht so wichtig, sagt Willibald Ruch. „Es gibt Lachen ohne Humor und auch Humor ohne Lachen.“ Etwas im Stillen mit Humor zu bearbeiten, sei viel effektiver als am Stammtisch den Kalauerkönig zu geben. Und noch eine gute Nachricht: Grundsätzlich besitzt jeder Mensch die kognitiven Grundlagen für das Verstehen von Witz und Komik. „Früher bestand die Auffassung: Entweder man hat Humor oder nicht. Das ist falsch. Humor lässt sich sogar trainieren“, so der Psychologe.

Auch für den Alltag hat der Humorforscher ein paar Tipps auf Lager: „Führen Sie ein Humortagebuch, seien Sie aufmerksamer gegenüber den vielen komischen Momenten des Alltags und pflegen Sie Kontakte mit Menschen, die einen ähnlichen Humor haben.“  Denn mal ehrlich: Sind Lachfalten nicht die schönsten Zeugen eines langen Lebens?