Ältere Berufstätige

26.01.2018

Weis­heit für die Wirt­schaft

Studien belegen: Ältere Mitarbeiter sind genauso leistungsfähig wie jüngere – wenn sie richtig eingesetzt und gefördert werden. Fachkräftemangel und demografischem Wandel machen es notwendig, diese Potenziale auch zu nutzen.

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Ältere Arbeitnehmer lernen genauso schnell wie jüngere – und können auch ihre Erfahrung weitergeben.

Altes Eisen genießt keinen guten Ruf. Das entsprechende Sprichwort, das Menschen als nicht mehr gebraucht abstempelt, ist gerade in der Berufswelt weit verbreitet. Denn in Zeiten des rasanten technologischen Fortschritts gehören nach Meinung mancher Arbeitgeber bereits 50-jährige Erwerbstätige zu eben jenem „alten Eisen“.

Künftig wird sich aber kaum ein Unternehmen diese Form der Altersdiskriminierung mehr leisten können. Einerseits mangelt es ihnen schon heute an Fachkräften. Bis zum Jahr 2030 scheiden altersbedingt weitere 6,5 Millionen aus dem Arbeitsmarkt. Trotzdem werden die Belegschaften als Folge des demografischen Wandels weiter altern, weil junger Nachwuchs rar ist. Laut Statistischem Bundesamt ist das Durchschnittsalter von Erwerbstätigen in Deutschland zwischen 1991 und 2015 um rund viereinhalb Jahre angestiegen. Heute sind berufstätige Frauen und Männer rund 43 Jahre alt – über alle Branchen hinweg. Der Trend wird anhalten, und damit werden ältere Arbeitnehmer immer wichtiger.

Ältere können genauso schnell lernen wie Jüngere

Für Rudolf Kast, Vorstandsmitglied des Demographie-Netzwerks (ddn) und der Initiative Neue Qualität der Arbeit, sind diese Entwicklungen aber kein Grund zur Sorge. „Der Mensch, der heute 50 ist, lässt sich nicht mit einem Gleichaltrigen von vor 20 Jahren vergleichen“, sagt Kast. Das belegen auch Daten der englischen Langzeit-Altersstudie ELSA: Danach sind die geistigen Fähigkeiten von Generation zu Generation immer weiter angestiegen. Sollte dieser sogenannte Flynn-Effekt anhalten, prognostizieren die Wissenschaftler, dass die britische Bevölkerung im Jahr 2040 zwar so alt sein wird wie noch nie zuvor – und trotzdem geistig jünger als heute.

Dass ältere Arbeitnehmer neuen Herausforderungen nicht mehr gewachsen sein können, ist somit ein veraltetes Vorurteil. „Ältere können genauso schnell und so viel lernen wie Jüngere“, sagt Kast. Eine wichtige Rolle spiele dabei das sogenannte „kristalline Wissen“. Dieses Erfahrungswissen könne durch spezielle Lerntrainings aktiviert werden.

Ältere kompensieren schlechteres Gedächtnis mit Erfahrung

Dies sieht auch Ursula Staudinger, Direktorin des Robert N. Butler Columbia Aging Centers der renommierten New Yorker Columbia University, als wissenschaftlich erwiesen an: Bei Untersuchungen habe sich gezeigt, dass ältere Arbeitnehmer mit viel Erfahrung „Strategien entwickeln, die es erlauben, verlangsamte Reaktionszeiten oder verschlechterte Gedächtnisleistungen auszugleichen.“

Wie lange wir geistig fit sind, lässt sich auch gezielt beeinflussen. „Die kognitive Leistungsfähigkeit lässt sich durch Training bis ins hohe Alter erhalten“, sagt Staudinger, die auch an der Auswertung der englischen Langzeitanalyse mitgearbeitet hat. So gebe es betagte Personen, die nach wie vor sehr kreativ und einsichtsvoll sind – genauso wie solche, deren kognitive Funktionen mit dem Alter stark nachlassen.

Lange geistige Fitness ist auch Konsequenz des Lebensstils

„Nicht alle diese Veränderungen sind ausschließlich biologischer Natur, sondern auch eine Konsequenz des Lebensstils“, schreibt Staudinger im Grünbuch „Alternde Gesellschaft“ des Wissenschaftsnetzwerk Population Europe und der Initiative „7 Jahre länger“.

Lebenslanges Lernen ist somit genauso ein Faktor für ein längeres Leben wie gesunde Ernährung oder Bewegung. „Der Lernfaden darf für Niemanden nach dem Ende der ersten Bildungsphase im Leben abreißen“, schreibt Staudinger. Um die Potenziale älterer Berufstätiger zu nutzen fordert sie auch Weichenstellungen von Politik und Arbeitgebern: Damit das lebensbegleitendes Lernen für alle erschwinglich und machbar werde, brauche es zum Beispiel mehr flexible Arbeitszeitmodelle – und vor allem mehr Weiterbildung.

Kontinuierliche Weiterbildung in jedem Alter

Um die Potenziale der Arbeitnehmer 55+ zu heben, bedürfe es „kontinuierlicher Investitionen in die Qualifikation und Kompetenzentwicklung aller Beschäftigten“, schreibt Staudinger im Grünbuch. Sogar bis zum Alter von 70 Jahren hätten berufsbezogene Fortbildungen positive Effekte. Staudinger fordert die Unternehmen aber auch auf, ältere Mitarbeiter einzustellen. Die deutschen Unternehmen sollten erkennen, dass dies „eine gute Strategie“ ist.

Kast vom Demographie-Netzwerk sieht deshalb den demografischen Wandel als Chance. Die Unternehmen seien in der Pflicht, ein längeres Arbeiten für ältere Beschäftigte attraktiv zu machen. „Dafür müssen sie einiges tun“, so Kast.

Silber-Mitarbeiter statt altes Eisen

Doch auch weiche Faktoren haben einen großen Einfluss darauf, wie stark sich ältere Menschen noch in die Arbeitswelt einbringen: „Ein positives Altersbild wirkt leistungssteigernd auf die Älteren“, schreibt Staudinger. Dazu gehöre nicht zuletzt, überholte Sprichwörter zu aktualisieren und ältere Mitarbeiter nicht mit „altem Eisen“ in Verbindung zu bringen. Vielleicht muss Deutschland sie vielmehr als Silber-Mitarbeiter verstehen – als wertvolles Edelmetall eben.