Was ein Umzug im Alter bringt
Die Lebenshaltungskosten in Deutschland schwanken regional stark. Für viele ein Grund, im Alter nochmal umzuziehen – und damit die eigene Rente etwas aufzuwerten.
Für Jürgen Fromberg war es Liebe auf den ersten Blick: Als er zum ersten Mal nach Görlitz kam, hatten es ihn der historische Stadtkern und die vielen sanierten Gründerzeit-Bauten angetan. Warum nicht hier den Ruhestand verbringen, dachte er. „Ich habe mich hingesetzt und eine Checkliste geschrieben mit Punkten, die mir im Alter wichtig sind. Darunter Mietpreise, Lebenshaltungskosten, medizinische Infrastruktur und Kulturangebot“, erzählt der heute 84-Jährige. Görlitz machte das Rennen. Und so zog Fromberg von Ingelheim in Rheinland-Pfalz in die östlichste Stadt Deutschlands, direkt an der Grenze zu Polen.
Dass Menschen wie Fromberg auch aus finanziellen Erwägungen im Alter noch einmal den Wohnort wechseln, ist gar nicht so ungewöhnlich. Bei einer Untersuchung aus dem Jahr 2019 zu den Motiven der Generation 60plus für einen Umzug nannte ein Drittel der Befragten wohnbedingte Beweggründe, entweder weil die alte Wohnung nicht altersgerecht war oder die Wohnkosten zu hoch. Ein weiteres Drittel sucht die Nähe zur Familie, das restliche Drittel bilden zusammen private und berufliche Motive. Darunter fällt die klassische Ruhesitzwanderung in eine Wunschgegend oder die Rückkehr in die alte Heimat nach Jahren berufsbedingter Abwesenheit.
Preisniveau schwankt um gut 40 Prozent
Mit dem Umzug in eine günstigere Region können Frauen und Männer ihre Alterseinkünfte aufbessern – ohne einen Cent mehr in der Tasche zu haben. „Was man sich im Alter leisten kann, hängt nicht nur von der Rentenhöhe ab, sondern auch dem Preisniveau am Wohnort“, sagt Oliver Ehrentraut, Wissenschaftler von Prognos. Das Analysehaus hat für alle 401 Kreise und kreisfreie Städte in Deutschlands untersucht, wie viel sich die Menschen von ihrer Rente leisten können. Ergebnis: Die Kaufkraft schwankt regional um bis zu 44 Prozent. Rechnet man noch die unterschiedlich hohen Renten hinzu, beträgt das Gefälle sogar 70 Prozent. Vor allem die unterschiedlichen Mietpreise sorgen dafür, dass die Lebenshaltungskosten auseinanderklaffen, so Ehrentraut: „Niedrige Preise werten die Rente auf – und umgekehrt.“
Preiswert sind vor allem viele Gegenden in Ostdeutschland. In der Prognos-Studie liegt Görlitz als günstigste Region auf Platz eins, gefolgt von neun weiteren Landkreisen im Osten. Doch nicht nur niedrige Lebenshaltungskosten machen viele Gegenden in den neuen Bundesländern zu einem guten Altersruhesitz. „Viele ostdeutsche Städte sind hoch attraktiv, weil sie eine hervorragende Altbausubstanz haben und oft gepflegter und besser modernisiert sind als manche Stadt in Westdeutschland“, sagt llse Helbrecht von der Humboldt-Universität in Berlin. In einer vom ZDF beauftragten Studie zu den lebenswertesten Städten für Ältere landeten Jena und Suhl in Thüringen auf den Plätzen eins und zwei.
Manche Städte – nicht nur im Osten – vermarkten sich seit Längerem ganz bewusst als Alterswohnsitz. Sie locken mit günstigen Mieten und – auch das keine Selbstverständlichkeit mehr – mit freien Wohnungen gezielt um ältere Einwohner. Für die häufig von Abwanderung und Überalterung geplagten Kommunen ist es eine Chance, um den auch in Zukunft absehbaren Schwund der Bevölkerung etwas abzumildern. Die Neuankömmlinge füllen die leeren Wohnungen und bringen mit ihrer Rente etwas Kaufkraft und Steuereinnahmen in die Region. Die demografische Entwicklung dürfte die Binnenmigration aus wirtschaftlichen Gründen in den nächsten Jahren noch verstärken: Denn die Großstädte werden immer voller und teurer, auf der Strecke bleiben jene, die am wenigsten haben, darunter auch etliche Rentner.
Die meisten bevorzugen Nähe zum alten Wohnort
Fernwanderungen wie jene von Fromberg, der 600 Kilometer entfernt ein neues Zuhause fand, sind aber die Ausnahme. Rund zwei Drittel der jährlich knapp 300.000 älteren Umzügler wechselt innerhalb eines Radius von 50 Kilometern zum alten Wohnort – aus nachvollziehbaren Motiven. Mit der Region sind sie vertraut, hier haben sie ein intaktes soziales Umfeld, das sich anderswo nur schwer wieder aufbauen lässt. Auch bestehende Beziehungen zu Ärzten sind mit ein Grund dafür, nicht den ganz großen Sprung zu wagen.
Dieser muss es aber auch nicht sein, um sich finanziell besser zu stellen. Menschen, die in teuren Großstädten wohnen, können schon mit einem Umzug ins Umland ihre Rente zumindest etwas aufwerten. In München, der bundesweit teuersten Stadt, sind laut Prognos-Untersuchung 1.000 Euro beispielsweise nur rund 847 Euro wert. Im angrenzenden Landkreis Freising immerhin schon 917 Euro. Ähnliches gilt für Frankfurt am Main. In der Bankenmetropole können sich Rentner für 1.000 Euro Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 893 Euro leisten, im angrenzenden Offenbach hingegen für 943 Euro.
Stadtflucht im Westen, Re-Urbanisierung im Osten
Je weiter weg von der Metropole, desto günstiger wird es. Und gerade aus den westdeutschen Agglomerationen flüchten die Älteren immer weiter raus. War es früher das direkte Umland der Großstädte, das von der Abwanderung Älterer profitierte, so sind es zunehmend die sogenannten periurbanen Räume – ländlich geprägte Regionen, aber mit guter Verkehrsanbindung zur Großstadt. Im Osten, wo die Städte nicht ganz so teuer sind, ist die Situation anders: Im Zuge der Reurbanisierung erzielen Oberzentren wie Leipzig, Magdeburg, Potsdam, Dresden, Schwerin oder Cottbus moderate Bevölkerungszuwächse in der höheren Altersgruppe.
Individuell sieht die Rechnung für oder gegen einen Umzug häufig anders aus: Denn meist haben Ältere langlaufende Mietverträge und zahlen für ihre Wohnung deutlich weniger pro Quadratmeter, als es bei einer Neuanmietung der Fall wäre. Bei einem Umzug ins Umland würden sich viele verschlechtern, selbst wenn das Preisniveau dort insgesamt niedriger ist.
Leben in der Stadt erfordert mehr finanzielle Vorsorge
Dennoch sind die Mittelwerte eine gute Orientierung – und Hinweis für die Jüngeren. Wer auch im Alter in einer Großstadt leben möchte, braucht in der Regel größere finanzielle Reserven als Menschen in strukturschwachen Gegenden. Und muss daher in stärkerem Maße Eigenvorsorge betreiben, wie eine Studie im Auftrag der Versicherer zeigt. Sonst kann das Alter zur Last werden – auch wirtschaftlich.