Alterung

04.09.2024

Warum wir zwei Mal im Leben sprung­haft altern – und was dage­gen hilft

Altern ist kein langsamer, gleichmäßiger Prozess. Vor allem mit Mitte 40 und rund um die 60 erleben viele einen plötzlich Altersschub. Dem kann man jedoch entgegenwirken.

© Unsplash / Nourdine Diouane

Altern ist kein stetiger Prozess. Er verläuft in Sprüngen.

Wo kommen plötzlich all die Falten her? War nicht vor Kurzem noch mehr von der Naturhaarfarbe übrig? Und warum fällt das Abnehmen überflüssiger Pfunde auf einmal so schwer? Ja, das Altern macht vor niemandem halt. Doch manchmal, so scheint es, nimmt der Prozess mehr als sonst Fahrt auf. Wie ein Auto, das abrupt mit 80 Sachen durch eine 50er-Zone brettert. 

Mit 44 und 60 altern wir am schnellsten

Forscher der Stanford University und der Nanyang Technological University in Singapur haben für diese vermeintliche Beschleunigung nun offenbar erstmals eine Erklärung gefunden. Die Kurzform: Das Gefühl trügt nicht. Kaum ein Mensch altert konstant und gradlinig, sondern es gibt zwei große Schübe. Über Nacht setzen diese markanten Sprünge zwar nicht ein, aber die Wissenschaftler konnten in ihrer Studie  zeigen, wann im Leben sie im Durchschnitt auftreten. Demnach gewinnt das biologische Älterwerden zum ersten Mal mit 44 und später nochmal mit 60 Jahren besonders an Tempo. 

„Wir verändern uns nicht nur allmählich im Laufe der Zeit, sondern es gibt auch dramatische Wechselperioden“, sagt Michael Snyder, Professor für Genetik an der Stanford University und Leiter der Studie. Zu dieser Erkenntnis kamen er und sein Team, nachdem sie über Jahre hinweg biologisches Material von 108 Probanden analysierten. Diese waren zwischen 25 und 75 und mussten regelmäßig Blut- und Stuhlproben sowie Haut-, Mund- und Nasenabstriche abgeben. Das Interesse der Wissenschaftler galt dabei dem, was für das normale menschliche Auge unsichtbar ist: den Molekülen (z. B. Ribonukleinsäure (RNA) und Proteine) und Mikroorganismen (z. B. Bakterien, Viren und Pilze). Auffällig war, dass sich nahezu alle in ihrer Anzahl und Art veränderten – und zwar bei Frauen wie bei Männern und besonders stark bei Teilnehmern, die Mitte 40 und Anfang 60 waren. 

Moleküle und Mikroben beeinflussen die Gesundheit 

Dass wir uns plötzlich älter fühlen und bestimmte Beschwerden scheinbar schlagartig auftreten, kommt also nicht von ungefähr. Denn Darmbakterien, Muskelproteine & Co. sind zwar winzig klein. Ihr Einfluss auf das Voranschreiten des Alterns und die Entstehung von bestimmten Gesundheitsproblemen ist jedoch riesengroß. So verändern sich mit 44 vor allem jene Moleküle, die an der Verstoffwechslung von Alkohol und Fett beteiligt sind. Die Folge: Das Feierabendbier wird schlechter abgebaut und wir neigen leichter zu Übergewicht. Mit 60 sind es dann vor allem biomolekulare Veränderungen, die die Immunregulation, den Kohlehydratstoffwechsel und die Nierenfunktion betreffen. Daher steigt in diesem Alter das Risiko für zum Beispiel Typ 2-Diabetes und Nierenprobleme.

Es gibt aber auch Wandlungsprozesse, die in beiden Altersgruppen zu beobachten sind. Die Haut verliert merklich an Elastizität, Muskeln werden verletzlicher und bauen ab, die Diagnose einer Herz-Kreislauf-Erkrankung wird wahrscheinlicher. Warum? Weil Proteine, die die Aufgabe haben, das Gewerbe zusammenzuhalten, nicht mehr so effektiv arbeiten wie zuvor. „Das ist eine sehr große Sache“, so Snyder. „Wenn Menschen in ihren 40ern Muskelverletzungen und Fettansammlungen an sich bemerken, und sie in ihren 60ern Muskelverlust trifft, dann sind dies keine vereinzelten Anekdoten.“ 

Lebensstil vor den Alterssprüngen umstellen 

Ein biologisches Schicksal, das unausweichlich jedem bevorsteht, ist das Ganze jedoch nicht. Die Alterungsschübe lassen sich abmildern, indem man sein Leben gesund gestaltet. Am besten zeitlebens, insbesondere aber dann, wenn wir uns diesen zwei entscheidenden Jahren nähern. Weniger Alkohol, dafür mehr Wasser trinken, statt auf dem Sofa Süßigkeiten naschen, lieber regelmäßig Sport treiben: Spätestens ab Mitte 40, wenn sich der Stoffwechsel verlangsamt und Muskeln, Nieren und Herz mehr Input brauchen, um fit zu bleiben, sollte man seine Lebensweise hinterfragen und gegebenenfalls schleunigst verändern. 

Die Wirkung wird nicht lange auf sich warten lassen. So zeigte erst kürzlich eine Studie aus den USA , welche Ernährung schon nach wenigen Monaten verjüngt. Ganz oben auf dem Speiseplan: Obst, Gemüse, Fisch, Olivenöl, Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide. Ganz unten: Fleisch, Milchprodukte – und vor allem Zucker. Einige Studienteilnehmer hatten Zellen, die wesentlich jünger aussahen als die der anderen. Es waren jene, die sich am akribischsten auf diese Art – das heißt, gemäß der sogenannten Mittelmeerdiät – ernährten. 

Sport verjüngt den Körper um bis zu 30 Jahre

Ein weiteres höchst wirksames Anti-Aging-Mittel ist Sport. Selbst noch im Alter, wie eine Untersuchung von US-Forschern  eindrücklich belegt. So stellten sie fest, dass 75-Jährige, die sieben Stunden pro Woche körperlich aktiv sind (Radfahren, Joggen, Krafttraining), ein Herz-Kreislauf-System besitzen, das 30 Jahre jünger wirkt als das von Altersgenossen, die nur gelegentlich Spaziergänge oder Golfpartien unternehmen. Selbst den Vergleich mit sportlichen 25-Jährigen müssen sie nicht scheuen, denn in Bezug auf die Qualität der Muskeln konnte kaum ein Unterschied zwischen Jung und Alt ausgemacht werden. 

„Ich bin fest davon überzeugt, dass wir versuchen sollten, unseren Lebensstil anzupassen, solange wir noch gesund sind“, sagt Michael Snyder. Dann ließen sich auch die Alterungssprünge mit 44 und 60 „ausbremsen“ und das Älterwerden wieder etwas mehr auf das vorgeschriebene „Tempolimit“ absenken.