Familiengründung

08.05.2018

Warum sich eine späte Vater­schaft aus­zahlt

Immer mehr Männer zeugen ab 50 noch Nachwuchs. Gesellschaftlich eher verpönt, haben späte Väter den jüngeren einiges voraus. Auch die Kinder profitieren.

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Viel Zeit für gemeinsame Stunden: Ältere Väter können sich dem Nachwuchs in Ruhe widmen. (Foto: grki / stock.adobe.com)

Sky du Mont mit 54, Niki Lauda mit 60, Robert de Niro mit 68, Mick Jagger gar mit 73 – sie alle sind in höherem Alter noch einmal Vater geworden. Auch der 57-jährige Hugh Grant verkündete gerade erst die Geburt seiner jüngsten Tochter. Für den britischen Schauspieler ist es bereits Kind Nummer fünf. Das erste kam kurz nach seinem 51. Geburtstag.

Jedes vierte Neugeborene hat einen Vater über 40

Schlagzeilen über späte Vaterfreuden prangen immer häufiger auf den Titelseiten der Boulevardpresse. Ein Trend, der aber keineswegs nur in der Welt der Promis zu finden ist. Auch immer mehr „Otto Normalmänner“ entscheiden sich jenseits der Lebensmitte erst- oder nochmals für Nachwuchs. Laut einer Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung waren 2013 sechs Prozent aller Neuväter in Deutschland 45 Jahre oder älter – der Anteil hat sich damit seit 1995 fast verdreifacht. Mittlerweile hat jedes vierte Neugeborene einen Vater über 40.

Ein Grund für die späten Vaterschaften sind die hohen Scheidungsraten. 2016 wurden in Deutschland über 160.000 Ehen wieder geschieden. Neue Beziehungen werden häufig in der Konstellation „älterer Mann, jüngere Frau“ eingegangen. Sogenannte „Start-over-Dads“ zeugen ihr jüngstes Kind oft erst in zweiter oder dritter Ehe. „Aber auch der Zeitgeist spielt eine große Rolle“, sagt Psychologie-Professor und Väterforscher Andreas Eickhorst von der Hochschule Hannover: „Heute kann man viel mehr mit Familienmodellen spielen und sich das aussuchen, was zu seinen eigenen Vorstellungen passt. Nachwuchs mit 60? Warum nicht. Das sollte nichts Anstößiges mehr sein.“

Vorurteile in der deutschen Gesellschaft

Trotzdem halten sich Vorurteile wacker. „Geronto-Väter“ (griechisch geron = Greis) seien verantwortungslos und egoistisch, ist derzeit in Internetforen zu lesen. Potenzprotze, die mit dem Älterwerden nicht klarkommen. Selbstsüchtig seien sie, weil sie junge Frauen mit Vaterkomplex ausnutzen, um sich selbst jünger zu wähnen. Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) kommt zum Ergebnis, dass es rund 90 Prozent der Deutschen nicht in Ordnung finden, wenn Männer über 55 noch Kinder in die Welt setzen. Mit 50 – das sei gerade noch zumutbar, lautet der Tenor der Befragten.

Uly Foerster kann über solche Gedankengänge nur den Kopf schütteln. Der frühere „Spiegel“-Redakteur und Mitbegründer von „Spiegel online“ wurde zwei Wochen vor seinem 60. Geburtstag zum ersten Mal Vater. Seine Frau war damals 41. Geburtsvorbereitungskurs statt Kreuzfahrt, Kinderwagen statt Aufsitzrasenmäher, Windeln statt Seniorenhandy – Foerster wählte bewusst diesen „anderen“ Weg ins Alter.

Daddy Cool – Inbegriff des neuen Vaters

In Foersters erster Ehe waren Kinder gar kein Thema. Einvernehmlich entschied man sich für die Karriere. „So wie ich mir einen Vater vorstelle, das hätte ich früher gar nicht leisten können“, sagt der mittlerweile 70-Jährige, der über das Glück der späten Vaterschaft auch ein Buch geschrieben hat. An einem normalen Arbeitstag auf den Spielplatz oder zum Kinderarzt gehen, von der Kita und Musikschule abholen, zuhören, trösten und rumalbern, ohne auf die Uhr zu sehen. Von Anfang an war er für Töchterchen Cäcilie ein Papa mit Zeit, und nicht, wie in vielen jüngeren Familien häufig die Regel, ein Wochenend-Vater. „Daraus hat sich eine besonders innige Beziehung entwickelt“, so Foerster.

Auch Psychologe Eickhorst kann eigentlich nur Vorteile aufzählen: Ältere Väter seien mit großer Wahrscheinlichkeit viel ruhiger und gelassener, viel weniger anderweitig gestresst. Denn Karriereleiter erklimmen, Haus bauen und Auto abbezahlen, all das liegt längst hinter ihnen. Sie blicken entspannt mit dem Kind auf dem Arm auf die Rushour des Lebens zurück. Zudem lebten die Eltern dem Kind ein topmodernes Rollenbild vor. Alltag bei Familie Foerster: Die Frau arbeitet nahezu Vollzeit, der Mann schmeißt den Haushalt. Für Eickhorst der Inbegriff des „neuen Vaters“.

Für Kinder spielt Alter keine Rolle

Probleme könnten hingegen auftreten, wenn das Kind beginnt, soziale Vergleiche anzustellen. Wenn es merkt, dass die Eltern der Spielkameraden jünger aussehen und die Außenwelt ihm das „Anderssein“ spüren lässt. „Wichtig ist, darüber zu sprechen, zu erklären, was Alter bedeutet, dass Eltern eben verschieden alt sein können“, rät der Psychologe. „Dem Kind ist ja per se relativ egal, ob die Eltern jung oder alt, schwarz oder weiß, weiblich oder männlich sind. Letztendlich ist es die Gesellschaft, die es negativ labelt“, so Eickhorst.

Cäcilie geht mit dem Thema ganz unbefangen um. Holt ihr Vater sie von einem Kinderfest ab und jemand ruft: „Schau, dein Opa ist da!“, rückt die 10-Jährige das Missverständnis ganz selbstbewusst gerade. Ein völlig normales Mädchen sei sie, sehr gut in der Schule und mit vielen Freunden, so Foerster.

Späte Väter leben bewusster

Die wenigen existierenden medizinischen Studien sind sich indes uneinig. Einige bemängeln die Qualität der „alten“ Spermien und sehen darin ein gesteigertes Risiko für ADHS oder bipolare Störungen beim Kind. Andere wiederum attestieren dem Nachwuchs eine höhere Intelligenz. Väterforscher Eickhorst gibt auf solche Erkenntnisse nicht viel: „Die Garantie für ein gesundes Kind gibt es bei keiner Schwangerschaft – auch nicht bei jungen Eltern.“

Auch Uly Foerster sieht das Ganze gelassen und schaut entspannt in die Zukunft. „Klar“, räumt er ein, „manchmal knirschen schon die Knie beim Spielen auf dem Teppich.“ „Um ein guter Vater zu sein, ist es aber total unerheblich, wie beweglich man ist, ob man noch Fußball spielen kann oder nicht“, sagt Psychologe Eickhorst. Vorlesen, zusammen basteln, lernen und Ausflüge machen – das sei ebenso wertvoll.

Geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Dass ihre Tochter wohl früher als andere mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert werden wird, darüber sind sich Foerster und seine Frau bewusst. „Dieser Gedanke bestimmt aber nicht unser tägliches Leben“, so der Hamburger. Trotzdem habe er ganz bewusst vor der Geburt von Cäcilie mit dem Joggen begonnen, achte seitdem mehr auf seinen Körper. Denn neben der Vaterrolle habe er noch eine andere neue Aufgabe bekommen: möglichst alt zu werden und den großen Einfluss des Lebenswandels auf die eigene Lebenszeit voll auszuschöpfen.

Dass diese Einstellung wirkt, konnte eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit zeigen: Männer, die mit über 50 Vater werden, rauchen seltener und treiben mehr Sport. 42 Prozent von ihnen gehen regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen. Bei jungen Vätern sind es dagegen nur 20 Prozent. Im Alter zwischen 60 und 69 leiden nur 18 Prozent der späten Papas unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung – bei den jüngeren sind es hingegen 40 Prozent.

Späte Väter können auch noch Opa werden

In Zukunft könnten Männer, die das Feld der Väter von hinten aufrollen, noch mehr zur Normalität werden. Denn die steigende Lebenserwartung vergrößert stetig die gemeinsame Lebensspanne. Würde ein 2017 geborener Mann mit 50 Papa werden, könnte er mit dem Nachwuchs noch satte 39,8 Jahre verbringen. Einem Altersgenossen aus dem Jahrgang 1950 sind hingegen im Durchschnitt „nur“ 22,1 Jahre vergönnt. Uniabschluss und erster Job, Hochzeit und schließlich sogar noch Enkelkinder – die Chance, dies alles mitzuerleben, wächst für ältere Väter mit jedem Jahr.