Warum Kinder das Leben verlängern
Elternsein macht nicht nur reich an Lebenserfahrung, sondern steigert auch die Lebenserwartung. Das hat mehrere Gründe.
Kinder großzuziehen, ist wahrlich kein Klacks. Frischgebackene, von Schlafmangel gebeutelte Eltern können ein Lied davon singen. Genauso wie all jene Mütter und Väter, die die pubertären Stimmungsschwankungen ihrer Sprösslinge aushalten müssen. Doch trotz all der nervenzehrenden Phasen: Kinder sind ein Gewinn, für die eigene Entwicklung, aber eben auch für die Lebensdauer.
So haben Eltern eine höhere Lebenserwartung als Kinderlose. Laut einer Studie aus Schweden leben Mütter 1,5 Jahre länger als kinderlose Frauen; Väter haben sogar eine fast zwei Jahre höhere Lebenserwartung – verglichen mit Männern ohne Nachwuchs. Auf ähnliche Befunde kommen Wissenschaftler aus England und Norwegen. Demnach liegt das Sterberisiko Kinderloser schon im mittleren Lebensalter deutlich über dem von Eltern.
Kinder sind eher die Folge von Langlebigkeit – weniger die Voraussetzung
Doch woran liegt das? Auf den ersten Blick könnte der Verdacht auf das Kinderkriegen selbst fallen, also auf unsere Biologie. Ein Indiz dafür sind Untersuchungen, die zeigen, dass Nonnen unter anderem häufiger an Brustkrebs erkranken. Weil sie – per se niemals schwanger – öfter ihre Periode bekommen und das Risiko mit jedem Zyklus steigt. Zudem fehlt ihnen die zusätzliche Schutzwirkung durch das Stillen. Damit lässt sich freilich nicht erklären, warum auch Väter länger leben. Denn ob Männer ein Kind zeugen oder nicht, hat keinen direkten Einfluss auf ihre Gesundheit.
Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock und der Universität Stockholm führen daher den Überlebensvorteil von Eltern auf eine andere Ursache zurück. Menschen leben demnach in erster Linie nicht länger, weil sie Kinder haben, sondern weil sie schon vor der Elternschaft lebensverlängernde Faktoren wie eine gute Gesundheit, eine höhere Bildung und ausreichend Geld mitbringen. All das begünstigt, dass man eher einen Partner findet und über die nötigen Ressourcen verfügt, um eine Familie zu gründen. Zuerst ist der Überlebensvorteil da und danach kommen die Kinder.
Adoptiveltern haben den höchsten Überlebensvorteil
Den Beleg für die These liefert eine gemeinsame Studie, für die die Sterblichkeitsdaten von vier Millionen Schweden ausgewertet wurden – unter ihnen Kinderlose, biologische Eltern und Adoptiveltern. Dabei kam heraus, dass Eltern mit nicht-leiblichen Kindern sogar den größten Überlebensvorteil haben. Ihre Lebenserwartung lag um drei Jahre über der von Kinderlosen; wer sich für zwei oder drei Adoptivkinder entschied, lebte sogar fünf Jahre länger.
Adoptiveltern sind der beste Beweis für den sogenannten Selektionseffekt. Denn bevor sie ein Kind annehmen dürfen, werden sie von Amts wegen einer strengen Prüfung unterzogen und müssen eine weitgehend gesunde Lebensweise, eine stabile Partnerschaft und ein angemessenes Einkommen nachweisen. Alles Voraussetzungen für eine Adoption – aber eben auch für ein langes Leben.
Eltern leben tendenziell gesünder und vorsichtiger
Alle Unterschiede lassen sich mit dieser Theorie jedoch nicht erklären. Wie kann es zum Beispiel sein, dass Menschen mit zwei, drei oder vier Kindern eine niedrigere Sterblichkeit haben als Kinderlose, selbst wenn Bildungsgrad und Beruf beider Gruppen einander ähneln? Es muss also auch am Nachwuchs selbst liegen, so die Forscher.
Die Vermutung: Eltern achten mehr auf sich selbst als Kinderlose. Die Aussicht, lange gemeinsam mit Töchtern und Söhnen auf der Welt zu sein, mitzuerleben, wie die Nachkommen ihre Ausbildung beenden, wie Enkel oder gar Urenkel geboren werden, ist ein starker Ansporn für einen gesunden Lebensstil. Dies würde beispielsweise erklären, warum Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen mit Kindern weniger häufig auftreten.
Späte „Rendite“: Glück und Unterstützung
Oder warum Eltern seltener in Unfälle verwickelt sind. Denn die Verantwortung für ein anderes Leben senkt die Bereitschaft, auf der Autobahn Vollgas zu geben oder waghalsige Kletterpartien auf der Leiter zu unternehmen. Wissenschaftler führen dieses vorsichtige Verhalten auf die soziale Kontrolle durch die Familie zurück – ein Effekt, der auch erklärt, warum beispielsweise Verheiratete länger leben als Singles.
Doch es gibt auch einen direkten Effekt der Kinder, der sich in einer längeren Lebensdauer auszahlt. Dieser zeigt sich vor allem im Alter, wenn Babygeschrei und Pubertät längst der Vergangenheit angehören und die Kleinen aus dem Haus sind. Im Idealfall gibt die jüngere Generation dann nämlich etwas zurück: Hilfe im Alltag, finanzielle Unterstützung, emotionalen Beistand, ein familiäres Netz. Dinge, mit denen Mütter und Väter ihren Kindern einst den Start ins Leben erleichterten und die nun – in umgekehrter Richtung – das elterliche Leben im Alter verlängern.