Warum Dauerlärm das Leben verkürzt
Lärm kann Stress verursachen. Wird er zur Dauerbelastung, drohen ernsthafte Gesundheitsschäden. Vor allem Straßenlärm nervt. Ihn einzudämmen, wäre Aufgabe der Politik.
Auf dem Festival zu nah an den Boxen gefeiert, schon pfeift es tagelang im Ohr. Dass ein zu hoher Schalldruckpegel dauerhaft das Gehör schädigt, ist keine Überraschung. Aber ein Konzert kann auch die Gesundheit der Menschen beeinträchtigen, die in der Nähe wohnen. Weil sie wegen des Krachs beim Lesen, Entspannen oder Schlafen gestört werden.
„Lärmbelästigung sollte nicht nur als Umweltbeeinträchtigung, sondern auch als Gefahr für die öffentliche Gesundheit angesehen werden“, sagt Philip Leistner, Direktor des Instituts für Akustik an der Universität Stuttgart. Denn ein gestörter Schlaf verursacht Stress. Der Körper schüttet dann mehr Stresshormone wie Cortison aus, die wiederum Kreislauf- und Stoffwechselvorgänge beeinflussen: der Blutdruck steigt, ebenso die Herz- und Atemfrequenz. Auf Dauer kann Lärm sogar das Immunsystem schwächen und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.
Wann Geräusche als störender Lärm empfunden werden, ist subjektiv und situationsabhängig. So macht es beispielsweise einen Unterschied, ob sie tagsüber auftreten oder nachts – wenn die Menschen nach Ruhe sehnen und schlafen wollen. Als Faustregel gilt, dass man sich Lärm nicht freiwillig aussetzt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft einen dauerhaften Geräuschpegel oberhalb von 55 Dezibel als gesundheitsschädigend ein – das entspricht in etwa dem Schallpegel des normalen Autoverkehrs.
Lärm ist schädlicher als Feinstaub
Und zumindest in Städten ist Verkehrslärm allgegenwärtig und sorgt für ein unausweichliches wie tückisches Grundrauschen. 2011 schätzte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Studie, dass „im westlichen Teil Europas jedes Jahr mindestens eine Million gesunde Lebensjahre durch Verkehrslärm verloren gehen“. „Lärm ist das meistunterschätzte Gesundheitsrisiko“, sagt Thomas Münzel, Direktor der Universitätsklinik Mainz. Das Risiko sei größer als die Gesundheitsbelastung durch Feinstaub.
Akustisch verursachten Stress gebe es aber nicht nur in der Stadt und durch Verkehr, sondern auch am Arbeitsplatz – beispielsweise in Großraumbüros oder in Fabrikhallen, erläutert Lärmforscher Leistner. Die Lärmschwerhörigkeit zähle nach wie vor zu den relevanten Berufskrankheiten, da es immer noch viele laute Arbeitsplätze gebe.
Mit Ruhepausen Stress ausgleichen
Doch wie lässt sich die Geräuschbelastung senken? Mittlerweile existieren technische Innovationen wie Noise Cancelling Kopfhörer, doch Umgebungsgeräusche gänzlich abzuschalten kann auch gefährlich werden – wie im Verkehr. Lärmforscher Leistner empfiehlt eine akustische Erholung in Form von Ruhepausen. Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion ist der Fachterminus für einfach mal abschalten. Studien zufolge kann so die Herzfrequenz und auch der Blutdruck gesenkt werden – beispielsweise nach hoher Lärmbelastung.
Daneben können bauliche Veränderungen den Verkehrslärm eindämmen. Spezielle Fahrbahnbeläge helfen ebenso wie mehr Schallschutzwände entlang von Wohngebieten. Viel schneller und obendrein kostengünstiger wäre allerdings eine ganz andere Maßnahme: ein Tempo-Limit von 30 km/h im innerstädtischen Raum. Wissenschaftler fordern das, auch das Umweltbundesamt und viele Kommunen sind dafür, die Mehrheit der Deutschen lehnt eine Ausweitung von Tempo-30-Zonen in den Städten allerdings ab. Jede Diskussion darüber garantiert, hitzig zu werden. Und möglicherweise auch laut.