So haben sich die Lebensläufe in Deutschland verändert
Erster Job, Heirat, Kind oder Ruhestand: Eine 1984 geborene Frau erlebt die Etappen viel später als eine 1954 geborene. Sie hat aber auch mehr Zeit im Leben.
Ein Krankenhaus irgendwo in Westdeutschland. 1954 kommt hier Angelika, 1984 Katharina zur Welt. Eines haben die beiden gemeinsam: Sie tragen den beliebtesten Mädchennamen ihres Jahrgangs. Blickt man in die Statistiken, ist hier allerdings schon Schluss mit den Parallelen. Denn die 30 Jahre, die die Geburten der beiden fiktiven Durchschnittscharaktere trennen, formen zwei ganz unterschiedliche Lebensläufe und zeigen, wie sehr sich Biografien durch den gesellschaftlichen Wandel und die steigende Lebenserwartung verändert haben. Der erste Job, die Heirat, das erste Kind, oder den Ruhestand – keinen einzigen, dieser Meilensteine im Leben erlebt die Generation von Katharina statistisch gesehen früher im Leben als die Generation Angelika. Doch dank der immer weiter steigenden Lebenserwartung hat Katharina auch mehr als sieben Jahre länger Zeit im Leben.
Beginn der Ausbildung
Bereits mit 16 Jahren beginnt für Angelika der Ernst des Lebens. Sie hat die Realschule beendet und fängt eine Lehre an. Abitur zu machen ist damals, vor allem unter Mädchen, noch eine Seltenheit – nur rund zwölf Prozent der Schulabgänger besuchen in den 1970er-Jahren eine Universität oder Fachhochschule. Ganz anders bei Katharina: Sie drückt drei Jahre länger die Schulbank, hat danach das Abitur in der Tasche und startet 2003 mit 19 Jahren in ihr Studium. 39 Prozent ihrer Altersgenossen tun es ihr gleich, 2014 werden es sogar schon 53 Prozent sein.
Auszug aus dem Elternhaus
Mit 20 Jahren hat Angelika ihre Ausbildung abgeschlossen, steht auf eigenen Beinen und verlässt das elterliche Nest. Sie zieht mit ihrem festen Freund zusammen – für viele damals bereits früh der erste logische Schritt in Richtung „eigene Familie“. Man spart schon auf ein Häuschen, denkt an Heirat und Familienplanung. Katharina hingegen bleibt etwas länger im „Hotel Mama“ und packt erst mit 22 Jahren ihre sieben Sachen. Zusammenziehen mit ihrem Freund? Das kann noch warten.
Erster fester Job
Nur Hausfrau und Mutter sein? Was in der Wirtschaftswunder-Familie der 60er-Jahre noch die Hauptrolle der Frau war, ist für Angelika zu wenig. Dass Frauen auch arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen, entwickelt sich in ihrer Generation langsam zur Norm. So unterschreibt sie bereits mit 21 Jahren ihren ersten Arbeitsvertrag. Bei Katharina dauert dieser Schritt hingegen drei Jahre länger: Ihren ersten stabilen Job tritt sie – bedingt durch den späteren Ausbildungsbeginn, die längere Ausbildungsdauer und das Streben nach höherer Qualifikation – mit 24 Jahren an.
Heirat
Rund 65 Prozent aller Paare leben Ende der 70er-Jahre mit Trauschein zusammen. Wie Angelika sind Frauen im Schnitt 23 Jahre alt, wenn die Hochzeitsglocken läuten. So früh zu heiraten, ist damals völlig selbstverständlich und vor allem für Frauen, die weit weniger verdienen als Männer, ein wichtiger Schritt zur finanziellen Absicherung. Ganz anders bei Katharina: Erst mit 31, also acht Jahre später als Angelika, gibt sie ihr Ja-Wort. Heiraten ist in ihrer Generation kein Muss, die „wilde Ehe“ kein Tabu mehr, sondern als Lebensentwurf gesellschaftlich anerkannt. So liegt die Heiratsquote 2015 nur noch bei knapp 50 Prozent. Die gute Ausbildung verschafft Katharina mehr Zeit und finanzielle Unabhängigkeit. Die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft mit einem männlichen Versorger nimmt für sie an Bedeutung ab. Wenn geheiratet wird – dann vor allem aus Liebe.
Erstes Kind
Kurz nach der Hochzeit kündigt sich bei Angelika auch schon der Nachwuchs an: Mit 25 Jahren bekommt sie ihr erstes Kind. Heiraten und Kinderkriegen – zwei Bestandteile der Familienplanung, die fest zusammengehören und damals meist schon mit Ende 20 abgeschlossen sind.
Für Katharina geht es da erst los. Mit knapp 30 bekommt sie ihr erstes Kind. Der spätere Berufseinstieg, die größere individuelle Freiheit, der Wunsch, Karriere zu machen und ein finanzielles Polster aufzubauen, sowie der Fakt, dass unehelich geborene Kinder kein Makel mehr sind, spielen hierbei eine Rolle.
Gesetzlicher Ruhestand
Ihren letzten Arbeitstag hat Angelika mit 65 Jahren. Katharina, nach 1964 geboren, wird 2051 mit 67 in den Ruhestand gehen. Mit 44 beziehungsweise 43 Jahren haben beide demnach fast gleich lang Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt.
Zeit im Ruhestand
Die steigende Lebenserwartung schenkt Katharina deutlich mehr Zeit auf Erden als Angelika: Während Letztere 81 Jahre alt wird, lebt die 1984 Geborene sieben Jahre länger und stirbt erst mit 88. 16 Jahre verbringt Angelika somit im Ruhestand – Katharina hingegen bleiben ganze 21 Jahre.
Die Lebenserwartung steigt auch bei Männern. Und somit bleibt Katharina auch viel mehr gemeinsame Zeit mit ihrem Partner: Ihr vier Jahre älterer Mann stirbt mit 82 Jahren. Somit bleibt beiden noch ein gemeinsamer Ruhestand von elf Jahren. Auch Angelikas Mann ist vier Jahre älter als sie. Er stirbt aber bereits mit 72 Jahren. Somit bleiben Angelika und ihrem Mann nur drei Jahre im gemeinsamen Ruhestand, bevor Angelika mit 68 Jahren verwitwet.