Familienplanung

24.08.2018

Sind Spät­ge­bä­rende die bes­se­ren Müt­ter?

Immer mehr Frauen bekommen mit 40 oder gar 50 noch ein Kind. Eine späte Schwangerschaft birgt zwar Gefahren. Für die Entwicklung des Kindes muss sie aber kein Nachteil sein – im Gegenteil.

© t222 / adobestock

Mutterglück: Frauen gebären entweder sehr früh oder aber – und das nimmt zu – erst nach dem 30. Geburtstag.

Frida kommt am 22. Juni 2018 zur Welt. Mit 2,5 Kilogramm zwar ein Leichtgewicht, ansonsten aber wohlauf. Genau wie die glückliche Mutter: Brigitte Nielsen, dänische Schauspielerin und bei der Geburt ihres fünften Kindes 54 Jahre alt. Damit befindet sich Nielsen in bester prominenter Gesellschaft. Moderatorin Caroline Beil bekam ihr erstes Kind mit 42 Jahren, wenige Monate nach ihrem 50. Geburtstag wurde Nachwuchs Nr. 2 geboren. Auch Sandra Maischberger, Halle Berry, Nicole Kidman, Janet Jackson und Gianna Nannini wurden mit über 40, zum Teil mit über 50 Jahren erst- oder nochmals Mutter.

Zahl der späten Mütter hat sich verfünffacht

Wenngleich Frauen jenseits der 50 noch Einzelfälle sind: Späte Schwangerschaften sind heutzutage in allen Wohlstandsländern keine Seltenheit mehr. Allein in Deutschland stieg der Anteil der Neugeborenen mit einer über 40-jährigen Mutter zwischen 1991 und 2015 von 0,8 auf fast fünf Prozent. Über 35 ist heute jede vierte frischgebackene Mutter. Vor 20 Jahren war es noch jede zehnte. Wird das erste Kind geboren, sind Frauen heute im Schnitt 30 – und damit gut fünf Jahre älter als noch in den 1960er Jahren.

Carola Mühlbach kennt diesen Trend aus ihrer täglichen Arbeit. Seit 1980 ist die 59-Jährige in Sachsen als Hebamme tätig, hat in dieser Zeit rund 1.000 Kindern auf die Welt geholfen. „Entweder sind die Mütter heute ganz jung und dabei oft ungewollt schwanger. Oder aber älter. Die Mittzwanziger fehlen hingegen fast völlig“, so Mühlbach. Die Gründe dafür sind in ihrem Einzugsgebiet dieselben wie in ganz Deutschland: Frauen haben heute bessere Bildungschancen. Der Weg zu einem guten Abschluss ist dementsprechend länger. Die Familienplanung wird oft weit nach hinten geschoben – um Berufserfahrungen zu sammeln und finanziell vorzusorgen. Oder es fehlt schlichtweg eine gefestigte Partnerschaft. Zudem, so beobachtet es Mühlbach, entscheiden sich vermehrt Paare mit Kindern später im Leben erneut für Nachwuchs.

Wichtiger als das Alter der Frau ist ihre Gesundheit

Dennoch: Aus rein medizinisch-statistischer Sicht ist die Spanne zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr nach wie vor die beste Zeit zum gebären. Dann besitzen die Eizellen der Frau die höchste Qualität. Und Risiken wie Früh- und Fehlgeburten, Schwangerschaftshochdruck und -diabetes sowie Wachstumsverzögerungen, angeborene Herzfehler oder Chromosomenstörungen wie Trisomie 21 beim Kind sind am geringsten.

„Das biologische Alter ist bei all diesen Dingen natürlich ein Faktor, aber nicht unbedingt der wichtigste“, sagt Wolfgang Henrich, Direktor der Kliniken für Geburtsmedizin der Berliner Charité. „Viel ausschlaggebender als eine bestimmte Jahreszahl ist der allgemeine Gesundheitszustand.“ So trage eine Frau von Mitte 20, die raucht, übergewichtig ist und an Diabetes und Bluthochdrucke leidet, ein deutlich höheres Risiko als eine 40-Jährige ohne schädigende Laster und Zivilisationskrankheiten.

Von der in den 70er Jahren eingeführten Altersgrenze, wonach eine Frau ab 35 automatisch als risikoschwanger gilt, hält Henrich nicht viel. Relativ willkürlich sollte damit seinerzeit das Budget für die kostenintensiven Vorsorgeuntersuchungen gedrosselt werden. „Mit 34 kein Risiko, mit 35 volles Risiko – das ist Unsinn. Es wächst nicht plötzlich sprunghaft an, sondern steigert sich leicht mit den Jahren“, weiß der Gynäkologe.

Guter Lebensstil und hoher Sozialstatus von Vorteil

Auch wissenschaftliche Studien befassen sich schon lange nicht mehr nur mit Wahrscheinlichkeiten möglicher negativer Folgen. So untersucht das Max-Plack-Institut für demografische Forschung (MPIDR) seit Jahren die Auswirkung des mütterlichen Alters auf die Entwicklung des Kindes. Unter anderem analysierten die Forscher 120.000 Schwangerschaften in Finnland und verglichen hierbei gezielt Frauen, die sowohl in jungen Jahren als auch mit über 35 ein Kind bekamen. Ergebnis: Die später geborenen Kinder waren gegenüber ihren Geschwistern weder leichter noch kamen sie früher auf die Welt – beides wichtige Indikatoren für die geistige und körperliche Entwicklung. Für die einzelne Mutter ist demnach das Alter nicht der tatsächliche Grund für eventuell erhöhte Geburtsrisiken. „Persönliche Lebensumstände und das eigene Verhalten scheinen wichtiger zu sein“, erklärt Studienleiter Mikko Myrskylä.

Hebamme Carola Mühlbach meint, dass Lebensstil, Bildungsstand und sozialer Status biologische Risiken aufwiegen. Frauen lebten heute gesünder als früher und seien deshalb auch körperlich fitter. Das erhöhe die Chancen, auch mit Anfang, Mitte 40 schwanger zu werden. Erst kürzlich begleitete Mühlbach eine 45-Jährige durch die erste Schwangerschaft. Vollkommen komplikationslos verlief diese und endete mit einer natürlichen Geburt. Mütter wie sie sind sehr gut informiert, ernähren sich stets gesund, rauchen nicht, trinken so gut wie keinen Alkohol. „Finanziell ist diese Altersgruppe natürlich auch besser aufgestellt, hat mehr Zeit und weniger Alltagsstress. Da ist alles tipptopp vorbereitet für das Wunschkind“, so Mühlbach.

Spätgeborene sind gesünder, schlauer und nicht so dick

All das kommt laut weiteren MPIDR-Studien den Sprösslingen älterer Mütter in ihrem späteren Leben zugute. Demnach sind sie bis ins Erwachsenenalter nicht häufiger krank, ja sind durchschnittlich sogar gesünder und weniger übergewichtig als Kinder von Müttern, die bei der Geburt jünger als 25 Jahre waren. Zudem sind Kinder von Müttern ab 40 im Schnitt besser in der Schule und besuchen mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Uni.

Eine mögliche Erklärung dafür liefert eine Studie an der Universität Aarhus. Die Forscher beobachteten fast 5.000 Familien und nahmen besonders die Erziehungsmethoden und den Umgang zwischen Eltern und Kindern unter die Lupe. Dabei stellen sie fest, dass späte Eltern entspannter mit ihren Kindern umgehen, konsequenter in der Erziehung sind und den Nachwuchs stärker intellektuell fördern.

Mehr Lebenszeit – auch für späte Mütter und ihre Kinder

Die Kommentare unter Brigitte Nielsens erstem Instagram-Babyfoto fielen unterdes zwiespältig aus. Sie sei verantwortungslos, ist da zu lesen, und das Kind mit einer so alten Mutter nur zu bedauern. Andere loben ihren Mut, sich vom Alter und der Gesellschaft nichts vorschreiben zu lassen. Sie selbst erklärte in einem Interview mit der Illustrierten „Bunte“, die Entscheidung sei wohlüberlegt gewesen und von der Überzeugung genährt, dass es „für ein Kind sicher besser ist, 20 Jahre mit einer guten Mutter zu verbringen als 40 mit einer schlechten.“

In Zukunft könnte sich die gemeinsame Lebenszeit von späten Müttern und ihren Kindern jedoch noch deutlich erhöhen. Denn schon heute beträgt die Lebenserwartung eines neugeborenen Mädchens rund 83 Jahre. Genug Zeit also, um selbst als Ü40-Mutter noch Oma zu werden. Viel Lebenszeit aber auch, für die frühzeitig vorgesorgt werden sollte. Denn die Spätgebärenden tragen die Kosten für die Kinder dann auch noch, wenn sie selbst vielleicht schon aus dem Berufsleben ausgeschieden sind. Bis dahin sollten die Spartöpfe gut gefüllt sein.