Schöne Menschen leben länger
Wer gut aussieht, hat es leichter in der Schule, im Job oder bei der Partnersuche. Zumindest mittelbar führt das auch zu einem längeren Leben.
Unser Gesicht verrät so einiges. Ob wir gerade zufrieden oder traurig sind. Ob wir lügen oder die Wahrheit sagen. Ob jemand einen guten Witz erzählt hat oder die Nacht zu kurz war. Und natürlich helfen Falten und Fältchen unserem Gegenüber dabei einzuschätzen, wie viele Lebensjahre schon hinter uns liegen.
Wie viele noch hinzukommen könnten, das offenbart das Gesicht auch. Genauer gesagt: Die Lebenserwartung eines Menschen ist an der Attraktivität seines Gesichts ablesbar und wird von ihr beeinflusst. So jedenfalls lautet der Befund einer neuen Untersuchung aus den USA. Mehr als 8.300 Erwachsene wurden im Rahmen einer Langzeitstudie zwischen 1957 – dem Jahr ihres Schulabschlusses – und 2022 beobachtet. Eine unabhängige Jury beurteilte anhand der Jahrbuchfotos die Attraktivität der Personen, ihre Einschätzungen wurden anschließend mit den Gesundheits- und Sterbedaten abgeglichen. Das Ergebnis: Gutes Aussehen ist gut für die Lebensdauer.
Gutaussehende leben bis zu zwei Jahre länger
So hatten die als besonders unattraktiv eingestuften Menschen ein fast 17 Prozent höheres Sterberisiko als die Attraktiven. Männer am unteren Ende der „Schönheitsskala“ lebten rund elf Monate kürzer als ihre besser aussehenden Geschlechtsgenossen. Bei Frauen in dieser Kategorie war der Unterschied sogar doppelt so groß. Sie verloren nahezu zwei ganze Lebensjahre. Ein Trost: Ob „sehr schön“ oder „durchschnittsschön“ scheint egal zu sein. Der Überlebensvorteil war in beiden Gruppen in etwa gleich.
Wie und warum Gesichtsattraktivität und Langlebigkeit zusammenhängen, dazu gibt es in der Wissenschaft mehr als nur eine Erklärung. „Umfangreiche Forschungsarbeiten haben zum Beispiel ergeben, dass Attraktivität eine genetische Komponente hat“, sagt Connor Sheehan, Soziologe an der Arizona State University und Autor der Studie. Evolutionsbiologisch ist das Aussehen demnach ein Indiz für den Gesundheitszustand des gesamten Körpers. Sprich: Ebenmäßige Gesichter deuten auf Menschen hin, die per se gesünder und besser in der Lage sind, Krankheiten abzuwehren.
Attraktivität ein Prädiktor für Gesundheit?
Tatsächlich scheinen auch Studien diese Vermutung zu bestätigen. Polnische und norwegische Forscher nahmen sich beispielsweise die Laborwerte (Cholesterin, Blutdruck, Entzündungen, Blutzucker und Ruhepuls) von über 20.000 US-Amerikanern vor und setzten diese mit deren Aussehen in Verbindung. Dabei kam heraus: Je attraktiver jemand ist, desto geringer ist sein Risiko für kardio-metabolische Erkrankungen wie Diabetes oder Infarkte.
Ob dieser „Schönheitsbonus“ jedoch wirklich naturgegeben ist, bezweifelt Soziologe Sheehan. Viel wahrscheinlicher sei, dass gutes Aussehen indirekt wirkt und mit sozialen und gesellschaftlichen Vorteilen einhergeht. „Attraktivere Menschen verdienen mehr, werden von Lehrern besser behandelt und neigen seltener dazu, Straftaten zu begehen.“ Das Äußere beeinflusse Einkommen, Bildung, psychische Gesundheit und die Chancen auf eine Partnerschaft – alles Faktoren, die sich kurzfristig auf die Gesundheit und langfristig auf die Lebenswartung auswirken.
Wer attraktiv ist, verdient mehr
Vielfach durch Studien belegt ist beispielsweise die Wirkung des Aussehens in der Schule und am Arbeitsmarkt: „Hübsche“ Schüler werden bei gleicher Leistung oft besser benotet als weniger attraktive. Bewerbungsfotos entscheiden mit, ob eine Einladung zum Vorstellungsgespräch kommt oder nicht. Zudem sind gut aussehende Menschen seltener arbeitslos, werden häufiger befördert und verfügen über ein höheres Einkommen. Laut einer Studie der Leuphana Universität Lüneburg wirkt Schönheit ähnlich einkommenssteigernd wie ein Uni-Abschluss. Weil Attraktivität unbewusst mit Eigenschaften wie Kompetenz, Intelligenz und Leistungsfähigkeit verbunden wird.
Ein gutes Aussehen erleichtert zudem die Partnersuche. Und wer liiert ist und gar eine Familie gegründet hat, lebt erwiesenermaßen länger. Zum einen sorgt die Verantwortung füreinander dafür, dass ungesunde Verhaltensweisen wie übermäßiger Alkoholkonsum oder Rauchen bei Eheleuten oder unverheirateten Paaren seltener vorkommen als bei Singles. Zudem profitieren Paare von der gegenseitigen Fürsorge oder der Unterstützung ihrer Kinder – gerade im Alter.
Schönheit kommt von innen
Schönheitsideale sind also – zumindest indirekt – mitverantwortlich für die Unterschiede in der Lebenserwartung. Könnten wir diese überwinden, wären die Chancen auf ein langes Leben gerechter verteilt. „Wenn die Menschen nicht mehr so sehr auf das Aussehen achten würden, bin ich mir ziemlich sicher, dass wir in 100 Jahren diesen Unterschied in der Lebenserwartung nicht mehr sehen würden“, so Daniel Hamermesh, Professor für Wirtschaft an der University of Texas und Co-Autor der Jahrbuchfoto-Studie, in einem Interview mit „The Times“.
Dass Schönheit ohnehin viel mehr ist als Äußerlichkeiten, konnte ein Experiment an der chinesischen Huazhong University of Science and Technology zeigen. Studenten sollten dabei auf Fotos die Attraktivität von Frauengesichtern bewerten. Nach zwei Wochen bekamen sie die Bilder erneut vorgelegt – dieses Mal zusammen mit einer Charakterbeschreibung der Personen. Und siehe da: Wurden eher negative innere Werte zugeschrieben, waren die zuvor als sehr schön eingestuften Frauen plötzlich gar nicht mehr so hübsch.