Der Look ist käuflich – Stil aber nicht
Alter ist in der Modewelt längst kein Makel mehr. „Bunt statt Beige“ lautet das Credo, wie uns die Instagrannies beweisen. Und kaufen kann man heute alles, außer echten Stil.
Der Jugendwahn findet ein Ende. Modebranche, Stilberater, Frauenzeitschriften und Beauty-Blogs öffnen sich mehr und mehr für die ältere Zielgruppe. Reifere Models sind auf Laufstegen längst keine Seltenheit mehr. Und auch ältere Schauspielerinnen wie die 67-jährige Iris Berben präsentieren sich selbstbewusst schulterfrei auf dem roten Teppich. Aber worin liegt eigentlich ihr Stilgeheimnis?
Das A und O sei, sich auch im Alter nicht gehen zu lassen, betont Stilexpertin Martina Berg. Das heißt: körperlich fit bleiben, sich pflegen und modisch kleiden, ohne sich aber bei der Jugend anzubiedern. „Wenn man schon ein bisschen länger auf der Welt ist, ist es wichtig, dass man das Beste aus sich herausholt und nicht irgendeinem Jugendideal hinterherrennt“, betont Berg, die den Mode- und Lifestyle-Blog „Lady 50plus“ betreibt. Ihr Wissen verbreitet sie in Seminaren und Coachings.
Farbenfroh statt beige
Sie rät Älteren zugleich zu mehr Mut zur Farbe. Beige Steppjacken und gemusterte Blusen im Einheitslook machen alt und bedienen nur das Klischee von Senioren, denen ihr Aussehen gleichgültig zu sein scheint. Ohne zu übertreiben, können auch die Lippen der Frauen ein kräftigeres Rot, die Augen etwas Tusche und die Wangen ein frisches Rouge vertragen. Zumal sich viele Menschen heute auch jünger fühlen, als sie biologisch eigentlich sind. Dieses Phänomen nennt man in der Wissenschaft „Downaging“.
Und die Haare? „Naturgegebene graue Haare, wie etwa bei Birgit Schrowange, sehen wunderbar aus und unterstreichen den individuellen Typ zu 100 Prozent“, befürwortet Martina Berg und plädiert für Natürlichkeit. Die Modeliebhaberin stellt auch klar heraus, was gar nicht geht: 7/8-Hosen zum Beispiel. „Ich weiß nicht, wer sie erfunden hat, aber diese Hosen, die an der dicksten Stelle der Wade einer Frau oder eines Mannes enden, sind für mich ganz einfach stillos.“
Nicht nur Kleidung prägt den Stil
Grundsätzlich gelte jedoch noch immer die Weisheit, dass sich Stil nicht kaufen lässt. „Stil hat man, oder eben nicht“, sagt Berg, die Jacky Kennedy und Coco Chanel zu ihren persönlichen Ikonen zählt. Eine Persönlichkeit glänzt durch Ausstrahlung und Benehmen, aber eben auch Kleidung, die zur Person passt – all das seien wichtige Komponenten für guten Stil.
Wer nun Inspiration sucht, schaut am besten in Richtung Big Apple. In New York nämlich schießen die „Instagrannies“ den Stilvogel ab. Lebhafte Damen reiferen Alters, farbenprächtig gekleidet und mit vielen Accessoires ausgestattet erobern unter Hashtags wie #Hipstergranny das soziale Netzwerk. Die New York Times bezeichnete die bis weit über 90-jährigen Detailverliebten kürzlich als „Glamorous Grandmas of Instagram“. Der Vollständigkeit halber sei gesagt: Es tummeln sich freilich auch Männer in der Szene, die weit über New York City hinausreicht.
Stil-Ikone aus Deutschland
Günther Anton Krabbenhöft ist einer von ihnen. Der stets sorgsam gekleidete Berliner wird von etlichen Bloggern als Stilgott verehrt. Die US-Cosmopolitan nennt den 73-Jährigen „Deutschlands ältesten Hipster“. Im Interview sagte Krabbenhöft: „Ich mag es, wenn sich jemand wirklich Gedanken über sein Äußeres macht und einen eigenen Stil hat.“ Eine Haltung, die man auch mit 60 oder 70 nicht verlieren sollte. Denn gutes Aussehen kennt einfach kein Alter.