Soziale Medien

31.01.2019

Das Glück der ande­ren macht unglück­lich

Zu viel soziale Medien zu konsumieren, macht laut Forschern depressiv. Ein leerer Handyakku löst bei einigen gar Panik aus. Darum: Einfach mal abschalten.

© nensuria / Getty Images

Die bunte Welt der sozialen Medien ist häufig nur eine Illusion.

Morgens, noch vor dem Blick in den Spiegel, checken wir, was in der Facebook-Chronik so los ist. Am Frühstückstisch werden die neuesten Instagram-Fotos durchstöbert. Beim Warten an der Bushaltestelle: schnell ein paar Tweets absetzen. Im Büro, wenn der Chef außer Sichtweite ist, wird weiter gescrollt, gepostet, gelikt und kommentiert. Manchmal gilt selbst der letzte Blick des Tages nicht unserem Partner, sondern dem blinkenden Display. Was macht das mit uns?

Macht Facebook depressiv?

Das Phänomen der sogenannten „Facebook-Depression“ beschrieben zum ersten Mal Forscher der American Academy of Pediatrics im Jahr 2012. Auslöser sind Dinge, die wir tagtäglich in den Accounts unserer „Freunde“ sehen: Fotos und Videos, die fast ausschließlich die positiven Seiten des Lebens zeigen. Traumhafte Urlaubsbilder, sich umarmende Pärchen im Sonnenuntergang, selbstoptimierte Menschen – die meisten schön und schlank. Der Gedanke, der sich beim Durchscrollen festsetzt: Verglichen mit anderen bin ich unzulänglich, alle sind glücklicher und erfolgreicher als ich selbst.

„Ein Zuviel an Smartphone & Co. schadet der Gesundheit und dem Familienleben“, sagt Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung. „Damit es uns gut geht, brauchen wir eine vernünftige Online-offline-Balance.“ Eine 2018 durchgeführte Studie der DAK-Gesundheit spricht von rund 100000 Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die ein suchtähnliches Verhalten zeigen. Jedes Dritte von ihnen berichtet dabei von Symptomen einer Depression.

Angst vor dem leeren Akku

Wenn aus dem Liken ein Leiden wird, hilft Guido Weyers. In die Potsdamer Beratungsstelle des Psychologen kommen Eltern, deren Kinder von Cybermobbing betroffen sind, und Menschen, die die Kontrolle über ihren Social Media-Konsum verloren haben. Die an nichts anderes mehr denken und darüber Familie, „reale“ Freunde, Schule oder Job vernachlässigen.

Suchttherapeut Weyers berichtet von einer jungen Frau, die oft stundenlang wahllos im Netz surfte, nicht mehr richtig schlafen konnte, aus Angst, einen Post oder eine Nachricht zu verpassen. Die Wissenschaft hat dafür inzwischen sogar einen Namen: Nomophobie (engl. „No-Mobile-Phone-Phobia“). Den krankhaften Trennungsschmerz gegenüber dem Smartphone, die Panik vor Funklöchern oder schwindendem Akkuzustand. „Oft stecken dahinter Bedürfnisse, die in der realen Welt nicht gestillt werden. Der Wunsch nach Bestätigung oder Freundschaft“, sagt Weyers.

Soziale Medien sind aus Sicht des Suchtexperten zwar nicht alleiniger Auslöser einer Depression, für bereits labile Menschen aber besonders gefährlich. „Bekommt man dann auch noch negative Kommentare oder wird nicht gelikt, erhöht sich das Depressionsrisiko“, erklärt Weyers. Im Extremfall könne es fünf Mal höher sein als bei gesunden Menschen.

Nie mehr als eine halbe Stunde Social Media

Wann genau der Konsum von Social Media dem seelischen Wohlbefinden schaden kann, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Die kanadische Gesundheitsagentur „Ottawa Health Public“ bezifferte auf Grundlage einer Umfrage unter Schülern zwischen zwölf und 17 Jahren: All jene, die sich mehr als zwei Stunden pro Tag auf den Plattformen herumtrieben, sprachen überproportional oft von psychischen Störungen, Angst und suizidalen Gedanken.

Forscher der University of Pennsylvania haben dagegen ermittelt: die ideale Nutzungsdauer von Facebook & Co. beträgt 30 Minuten am Tag. Wer sich darauf beschränke, empfinde weniger depressive Verstimmungen, Ängste, Sorgen und Einsamkeit. Außerdem fanden die Forscher heraus: Werden Inhalte konsumiert, die das Wohlbefinden steigern, kann Social Media im Idealfall sogar helfen. Zum Beispiel Fitnessvideos zum Mitmachen auf YouTube oder Fotos von leckeren und fettarmen Gerichten auf Instagram. Solche Inhalte können dafür sorgen, in der realen Welt ein gesünderes und aktiveres Leben zu führen.