Verbreitete Irrtümer

03.06.2024

7 Dinge, die wir häu­fig falsch ein­schät­zen 

100 Jahre schafft keiner. Mein Alkoholkonsum ist im Rahmen. Und Altersvorsorge funktioniert auch später. Geht es um Lebensdauer, Lebensstil und das Alter, verschätzen wir uns regelmäßig.

© Dean Hindmarch /Gettyimages

Selbstbetrug: Die Menschen trinken oft mehr Alkohol, als sie sich selbst eingestehen.

1. Lebenserwartung

Die Lebenserwartung ist durch Faktoren wie medizinischer Fortschritt und bessere Ernährungslage immens gestiegen. Allein seit 1950 um sagenhafte 16 Jahre. Doch wie viele Deutsche wissen das? Laut einer Umfrage  nur magere neun Prozent; die Mehrheit unterschätzt den Zuwachs. Zudem tippen die meisten, dass heute geborene Mädchen 85 und Jungen 81 Jahre alt werden können. In Wirklichkeit haben diese jedoch gute Chancen, das 93. bzw. 90. Lebensjahr zu erreichen. Sollen Erwachsene ihre eigene Lebenserwartung beziffern, liegen sie ebenfalls daneben. So leben sie statistisch betrachtet sieben Jahre länger als vermutet.

Eine mögliche Ursache für all diese Irrtümer: Oft orientiert man sich am Alter der Großeltern und Eltern. An Generationen also, in denen Langlebigkeit selten war. Dass heute wohl jedes vierte Mädchen und jeder sechste Junge 100 Jahre alt wird, klingt daher für viele noch immer unglaublich und nach Science Fiction. 

2. Rauchen

Für Raucher wird es das auch bleiben. Qualmend ein so hohes Alter erreichen – fast ausgeschlossen. Denn jeder siebente Todesfall in Deutschland ist die Folge von Nikotinkonsum. Pro Jahr sterben etwa 127.000 Deutsche, weil sie geraucht haben. Das sind am Tag fast 350 Menschen, oder: täglich ein Flugzeugabsturz ohne Überlebende. Trotzdem werden die Gefahren von Zigaretten nach wie vor stark unterschätzt. Bei einer Bevölkerungsbefragung in der Schweiz  kam heraus: Zwei Drittel der Raucher wissen zwar, dass jeder Zug ungesund ist, ihr persönliches Risiko bewerten sie dennoch als gering. Nach dem Motto: Lungenkrebs oder eine Herz-Kreislauf-Erkrankung? Das bekommen nur die anderen, nicht aber man selbst.

Ähnliches förderte auch eine deutsche Umfrage  zutage. Über 30 Prozent der Befragten gaben fälschlicherweise an, das Lungenkrebs-Risiko von Rauchern läge unter zehn Prozent. Nicht mal jeder Fünfte wusste, dass Zigaretten die Lebenserwartung um sechs bis zehn Jahre verkürzen können. 

3. Alkoholkonsum 

Waren das gestern Abend drei Pils? Oder doch fünf? Betrachtet man die Ergebnisse einer internationalen Studie, wird es wohl Letzteres sein. Weil die Menschen oft viel mehr trinken, als sie glauben oder zugeben wollen. Dafür verglichen die Forscher zwei Datenquellen. Zum einen Alkohol-bezogene Verkaufszahlen und Steuereinnahmen, zum anderen Umfragen, in denen die Teilnehmer ihren Alkoholkonsum schätzen sollten. Das Fazit für die Länder Westeuropas: Die Mengen der Selbstauskunft sind weit entfernt von der Realität. Unterm Strich geht rund das Doppelte an Bier, Wein & Co. über Ladentisch und Theke. Sogar Menschen, die bereits ein bedenkliches Trinkverhalten besitzen (z. B. Männer: mehr als ein halber Liter Bier/Tag) und damit allerlei Gesundheitsschäden riskieren, sind sich dessen laut einer spanischen Studie  mehrheitlich nicht bewusst. Fast 94 Prozent von ihnen meinen vielmehr, ihr Konsum sei noch immer moderat, ja sogar niedrig.

4. Kalorien 

Frauen 1900, Männer 2400 Kalorien – diese tägliche Energiezufuhr wird in etwa empfohlen. Wer aber kann schon aus dem Stegreif sagen, wie viel Salami, Müsli oder Eistee das entspricht? So gut wie niemand, heißt es in einer Studie der University of Essex. Die Teilnehmer der Untersuchung sollten eine Zeit lang ein Ernährungstagebuch führen und dabei auch die Zahl der zu sich genommenen Kalorien schätzen. Anschließend analysierten die Forscher die tatsächliche Menge, indem sie den Urin testeten. Es zeigte sich: Im Schnitt nahmen die Probanden 900 Kalorien mehr zu sich als sie dachten. Das entspricht drei Cheeseburgern oder drei Litern Bier. Eine Ursache für diese Fehleinschätzung ist das viele in verarbeiteten Lebensmitteln enthaltene Fett und der auch in vermeintlich gesunden Produkten versteckte Zucker. Was hilft, um den Überblick zu behalten und ungesundes Übergewicht zu vermeiden: Speisen mit eigenen Zutaten frisch zubereiten und regelmäßig ein Auge auf die Nährwerttabelle der Lebensmittelverpackungen werfen. 

5. Bewegung

So manche überschüssige Kalorie verbrennt, wenn man sich viel bewegt. Aber auch hier verschätzen sich die Menschen mitunter und haben das Gefühl, sie wären aktiver als sie de facto sind. Dänische Forscher  ist dieses Missverhältnis aufgefallen, nachdem sie 1751 Erwachsene eine Woche lang einen Beschleunigungsmesser tragen ließen und sie baten, parallel dazu die Dauer ihrer körperlichen Aktivität selbst beurteilen. Dabei kam heraus, dass sie sich im Durchschnitt 131 Minuten weniger bewegten als angenommen, pro Tag also zusätzliche 18 Minuten im Sitzen statt auf den Beinen verbrachten. Auch Studien , bei denen die Teilnehmer unwissentlich Schrittzähler trugen, belegen, dass das tägliche Geh-Pensum oft überschätzt wird und die empfohlenen 10000 Schritten daher nicht erreicht werden. Also: Treppe statt Fahrstuhl und Sportverein statt Sofa! 

6. Soziale Vorsorge 

Um lange zu leben, genügt es aber nicht, nur körperlich auf sich zu achten. Gute Beziehungen sind genauso wichtig. So weiß man aus der Forschung: Je zufriedener ein Mensch im Alter von 50 Jahren mit seinen Bindungen ist, desto gesünder wird er mit 80 sein. Einsamkeit dagegen kann krank machen und das Sterberisiko um bis zu 50 Prozent erhöhen. Dennoch verkennt so mancher die große Bedeutung von Beziehungen und sorgt zu wenig sozial vor. Laut einer Umfrage  spricht jeder Achte mit niemanden über seine Gedanken und Gefühle; jeder Dritte hat den Kontakt zu Freunden aus der Jugend verloren. Darüber hinaus gibt knapp die Hälfte an, Freunde maximal einmal im Monat persönlich zu treffen. Zu wenig, sagen Experten. Besser wären ein bis zwei Stunden pro Woche. 

7. Finanzielle Vorsorge 

Zeit für solche Treffen hat man vor allem nach dem Arbeitsleben. Viel mehr sogar als man denkt. Denn die Deutschen unterschätzen nicht nur ihre Lebenserwartung, sondern auch die Zeit, die sie im Ruhestand verbringen. Einer Umfrage  zufolge vermuten sie, ihre Rentendauer betrage rund 16 Jahre; schaut man in die Statistik, sind es jedoch gut vier Jahre mehr. Zwei Jahrzehnte Leben, für die sich wohl jeder wünscht, lange gesund – und finanziell abgesichert zu sein. Um das Thema Altersvorsorge als Zusatz zur gesetzlichen Rente kümmern sich jedoch viele nicht oder erst recht spät. Weil im Moment die finanziellen Mittel fehlen. Weil es an Wissen über die vielseitigen Formen des Vorsorgens mangelt. Oder schlicht wegen „Aufschieberitis“. Dass der Hang, Dinge zu verdrängen, gar nicht so selten ist, ergab eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge . Dieser zufolge sagt fast jeder Dritte, er habe – obwohl der Plan besteht – bisher nicht ausreichend vorgesorgt. 60 Prozent sind dabei bereits älter als 40. Allerdings: Die Zahl der Jüngeren, die eine mögliche Vorsorgelücke im Alter nicht unterschätzen und daher frühzeitig etwas tun wollen, steigt. Unter denen, die bald in private Altersvorsorge investieren möchten, ist mittlerweile rund jeder Sechste jünger als 30.