7 Dinge, die wir aus der Natur für ein langes Leben lernen können
In seinem Buch „Quallen altern rückwärts“ beschreibt der dänische Molekularbiologe Nicklas Brendborg Altersrekorde in der Tier- und Pflanzenwelt. Auch der Mensch kann einiges davon lernen.
1. (Ein bisschen) Stress tut gut
Für Brendborg und die gesamte Anti-Aging-Forschung ist der Nacktmull ein wahres Wunderwerk. Mit einem Alter von bis zu 40 Jahren lebt er zehn Mal so lang wie eine Maus – und ist damit der Methusalem unter den Nagetieren. Kaum zu glauben, denn der Nager verbringt seinen Alltag unter der Erde Ostafrikas, muss mit wenig Sauerstoff und hohen Temperaturen klarkommen. Doch genau diese Umgebung fördert sein langes Leben. Das Zauberwort: Hormesis. Dieser Effekt tritt ein, wenn ein Organismus maßvoll unter Stress gesetzt wird. Der Stoffwechsel schaltet dann um auf Verteidigung, der Körper passt sich an und wird immer stärker. Auch bei Bäumen spielt das eine Rolle. Keine 1000-jährige Eiche stammt aus einem Gewächshaus. Um kräftig und so alt zu werden, braucht sie den Wind als Sparringspartner. Wir Menschen können uns daran ein Beispiel nehmen. Sport, Sauna, Fasten – was anstrengt, härtet durch Hormesis ab.
2. Der Zellmüll muss raus
Eng mit der Lebensdauer verbunden ist auch die sogenannte Autophagie. Bei diesem Vorgang transportieren die Zellen beschädigte Strukturen ab, der sich mit der Zeit in ihnen ansammeln. Der Haken: Mit zunehmendem Alter verlangsamt sich die Selbstreinigung und die Zellen werden zu einer Müllhalde. Nicht so beim Nacktmull. Bis ins hohe Alter läuft die Autophagie bei ihm auf Hochtouren. Ein Grund, warum er noch als Senior so fit ist wie in seiner Jugend und auch keine Hirn- und Muskelmasse verliert. Der Mensch kann das Großreinemachen zum Beispiel durch regelmäßiges Fasten ankurbeln. Oder durch Spermidin, ein Stoff, der vor allem in pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Weizenkeimen, Sojabohnen, Pilzen, Blumenkohl und Brokkoli enthalten ist.
3. Altern lässt sich verlangsamen
Die Quallenart Turritopsis lebt im Mittelmeer und kann etwas auf der Welt bisher Einzigartiges. Findet sie keine Nahrung oder schwankt die Wassertemperatur, entwickelt sie sich ins Polypenstadium zurück und beginnt ihr Wachstum quasi von Neuem. So als hätten wir Stress auf der Arbeit und würden daraufhin wieder zu einem Kind mit viel Freizeit. Die Wissenschaft ist bereits dran, eine Art Verjüngung auch irgendwann beim Menschen möglich zu machen. Bei Mäusen ist dies im Labor bereits gelungen: Anhand einer neuen Methode wandelte man erwachsene Zellen wieder in Stammzellen um und drehte so die biologische Uhr der Tiere zurück. Bis zum großen Durchbruch sind wir jedoch nicht zur Untätigkeit verdammt. Viel Bewegung, gesunde Ernährung, mit dem Rauchen aufhören – zumindest verlangsamen lässt sich das Altern dadurch.
4. Blut spenden – Lebenszeit bekommen
Eisen ist wichtig für die Zellbildung und den Transport von Sauerstoff. In der Forschung mehren sich jedoch die Hinweise, dass das Metall möglicherweise alterungsfördernd sein könnte – nämlich dann, wenn es auf Dauer im Überfluss in den roten Blutkörperchen lagert. Dadurch erhöht sich das Risiko für Typ 2-Diabetes, Demenz und Krebs. An Tumoren, auch in der Tierwelt keine Seltenheit, leidet der Nacktmull hingegen so gut wie nie. Ein Grund könnte sein guter Eisenstoffwechsel sein, ausgelöst durch eine Genmutation. Was kann der Mensch tun? Ganz einfach: regelmäßig zum Blutspenden gehen. Denn während der Körper die verlorene Blutmenge wieder auffüllt, zapft er seine Eisenreserven an und reguliert so den Bestand. Dass Blutspender länger leben, konnten sogar Studien belegen.
5. Auf die Größe kommt es (vielleicht doch) an
Was bei den langlebigen Tieren immer wieder auffällt: Irgendwie müssen dabei auch Größe und Wachstum eine Rolle spielen. Die Ames-Zwergmaus ist die kleinste ihrer Gattung – lebt aber länger als alle anderen Mäusearten. Oder der Grönlandhai, das älteste unter Wasser lebende Wirbeltier. Er wächst so langsam, dass er erst mit 150 Jahren geschlechtsreif ist und 400 Jahre werden kann. Beim Menschen ist es ähnlich. Wohl weil sie kleiner sind, leben Bewohner von Sardinen länger als andere Italiener. Auch der Überlebensvorteil von Frauen gegenüber Männern liegt unter anderem an ihrer geringeren Größe. Was die Ursache ist, weiß man noch nicht so genau. Möglicherweise hat es etwas mit der Aktivität von Wachstumshormonen zu tun. So bekommt der Nacktmull auch deshalb keinen Krebs, weil ein Mechanismus in seinem Körper das übermäßiges Wachstum von Zellen unterdrückt.
6. Viren lassen uns altern
Viren sind ebenfalls Überlebenskünstlern. Herpesviren und das HI-Virus zum Beispiel bleiben ein Leben lang im Körper. Gut für das Virus, schlecht für den Menschen. Denn sie beschleunigen – auch ohne Symptome – unseren Alterungsprozess um Jahre. Damit die Erreger in Schach gehalten werden, ist nämlich ein Teil der Immunzellen ständig im Einsatz. Die Folgen: Man ist schlechter vor anderen Infektionen geschützt und auch das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt. So viel man heute weiß, kann auch das Corona-Virus monatelang in unseren Organen überleben. Erste Studien deuten unter anderem auf ein dadurch erhöhtes Demenz-Risiko hin. Also: Infektionen tunlichst vermeiden und sich, wenn möglich, mit einer Impfung schützen.
7. Gemeinsam lebt man länger
Kein Tier, das steinalt wird, ist ein Einzelgänger. Ob Grönlandhai, Ames-Zwergmaus, Nacktmull oder die Qualle Turritopsis – alle leben in Verbänden aus Verwandten und „Freunden“. Man hilft sich bei der Nahrungssuche und ist im Team besser geschützt vor Feinden. Ähnliches lässt sich in der Pflanzenwelt beobachten. Im US-Bundesstaat Utah beispielsweise wächst das älteste Lebewesen der Erde: ein Wald aus rund 40.000 Zitterpappeln. Sie alle sind durch ein über 14.000 Jahre altes Wurzelgeflecht miteinander verbunden. Dass auch der Mensch ein soziales Netzwerk braucht, ist durch zahlreiche Studien belegt. Lebenspartner oder enge Vertraute verhindern Einsamkeit und achten im Idealfall darauf, dass wir einen gesunden Lebensstil pflegen. So sinkt das Risiko für einen frühen Tod um bis zu 50 Prozent.