„Sport ist ein Schlüssel für gesundes Altern“
Ob Ironman oder Ultramarathon: Uwe Schinz war überall dabei. Er ist 71 alt, dank seines Sports aber biologisch deutlich jünger, wie er im Interview verrät.
Herr Schinz, waren Sie heute schon mit Ihren Laufschuhen oder Ihrem Rennrad unterwegs?
Uwe Schinz: Im Moment gönne ich mir ein paar freie Tage, denn in den letzten Wochen war so einiges los. Erst ein 300-Kilometer-Radrennen in der Mecklenburgischen Seenplatte. Danach ging es an die Nord- und Ostseeküste. Dort habe ich auf einer Strecke von knapp 800 Kilometern Schleswig-Holstein einmal komplett umrundet. Diese Tour war wirklich Hardcore. Sehr viel Regen und Orkanböen. Oft stand ich auf der Pedale und wusste nicht, ob ich sie nochmal durchgedrückt bekomme. So stark kam der Wind von vorne.
Hat man nach solch einer Anstrengung nicht die Nase voll?
Schinz: Absolut nicht. Ich mag das Extreme und das Gefühl, an meine Grenzen zu gehen.
War das schon immer so?
Schinz: Früher spielte Sport in meinem Leben kaum eine Rolle. Bis auf ein bisschen Fahrradfahren oder mit dem Hund Gassi gehen habe ich so gut wie nichts gemacht. Der Wendepunkt kam erst im Alter von 49. Da hatte ich zwei Bandscheibenvorfälle und lernte bei der Reha einen jungen Mitpatienten kennen, der mich zum Laufen mitgenommen hat. Am ersten Tag schaffte ich 6,5 Kilometer, am letzten Tag dann schon das Doppelte. Und ich verspürte nach jeder Laufrunde für mehrere Stunden keine Rückenschmerzen mehr. Wieder zuhause habe ich mir sofort einen Verein gesucht und mit Marathon angefangen. Die 42,2 Kilometer wurden mir allerdings schnell zu wenig und so ging es los mit Triathlons, Ultramarathons und Langstreckenradrennen.
Heute sind Sie 71. An wie vielen solcher Events haben Sie in den letzten 22 Jahren teilgenommen?
Schinz: Oje, die kann ich nicht mehr zählen. Es waren so viele in Deutschland und auf der ganzen Welt. Aber einige sind mir besonders in Erinnerung geblieben. Zum Beispiel der „Marathon des Sables“ in der marokkanischen Sahara. 250 Kilometer in sechs Etappen galt es hier zu überwinden – bei über 50 Grad Celsius und mit 14 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken. Denn Schlafsack, Isomatte, Essen und Kochutensilien musste man selbst von Station zu Station transportieren. Ein Highlight war auch der Ultramarathon im Grand Canyon. 275 Kilometer inklusive glühender Hitze und Klettern über Gebirgsketten. Beim Marathon auf dem zugefrorenen Baikalsee in Sibirien war es dagegen bitterkalt und das Laufen auf Eis und über Schneewehen eine echte Herausforderung.
2022 waren Sie dann als zweitältester Deutscher beim Ironman auf Hawaii dabei.
Schinz: Dafür habe ich mir sogar eine Trainerin genommen. Die hat mir professionelles Kraulschwimmen beigebracht und mich beim Radfahren und Laufen punktgenau gecoacht. Leider bin ich mit einer Knöchelverletzung nach Hawaii gereist. Und so hat es am Ende in meiner 61-köpfigen Altersgruppe nur für Platz 17 gereicht. Unter die ersten Zehn zu kommen, war eigentlich das Ziel. Aber ich werde es, wenn ich gesund bleibe, mit 80 nochmal versuchen. Das ist mein Traum.
Es gibt für Sie also keine Altersgrenze?
Schinz: Nein, die gibt es nicht. Beim Ironman standen drei Männer und zwei Frauen auf der Bühne – alle 80 oder älter. Einfach toll! Selbst mit Extremsport anfangen kann man im Alter. Ich hatte zum Beispiel einen Freund, der hat als 65-Jähriger seinen ersten 5-Kilometer-Lauf absolviert. Später, mit 82, ist er noch locker 100 Kilometer am Stück gelaufen.
Aber merken Sie gar keinen Unterschied zu den Jüngeren?
Schinz: Doch, natürlich. Die sind schon schneller als ich. Das ist doch normal und macht mir nichts aus. Zudem braucht mein Körper heute länger, um zu regenerieren. Und auch meine Knie und Gelenke muss ich mehr schonen als früher. Aber es lohnt sich. Ich habe dem Sport wirklich viel zu verdanken.
Was denn?
Schinz: Nicht nur meine Rückenprobleme sind verschwunden, sondern auch ein paar Lebensjahre. Vor Kurzem habe ich mich sportmedizinisch durchchecken lassen. Dabei kam heraus: Biologisch bin ich erst 55 Jahre alt. Nach einer Operation hatte ich zudem eine Lungenembolie. Ohne meine gut trainierte Lunge und meinen hohen Grad an Fitness, hätte ich das wohl nicht überlebt, so die Ärzte. Was man auch nicht unterschätzen sollte, ist der soziale Aspekt. Durch den Sport habe ich mir mittlerweile einen riesigen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Langeweile oder Einsamkeit im Ruhestand – das sind Fremdwörter für mich.
Was würden Sie Menschen sagen, die bisher keinen Sport treiben?
Schinz: Leute, bewegt euch! Sport ist ein Schlüssel für gesundes Altern. Nicht selten werde ich gefragt, wie lange ich denn bis zur Rente noch arbeiten gehen muss. Man wirkt durch Sport einfach jünger. Das sehe ich auch an meiner Mutter. Sie ist 98 und walkt mit dem Rollator jeden Tag im Stechschritt eine dreiviertel Stunde durch die Stadt.
Wie fängt man denn an zu trainieren?
Schinz: Ich würde drei bis vier Einheiten pro Woche empfehlen. Zügig gehen, Joggen, Schwimmen oder Radfahren. Ohne Uhr und so, dass ohne Keuchen noch eine Unterhaltung möglich ist. Auf diese Weise gewöhnt sich der Körper daran und man kann sich langsam steigern. Um regelmäßig trainieren zu könne, habe ich zuhause einen ehemaligen Stall in mein eigenes kleines Fitnessstudio umgebaut. Mit Laufband, Hanteln und Fahrrad mit Rollentrainer und Monitor zur Geländesimulation. Sonntags unternehme ich meist eine 80 bis 90 Kilometer lange Radtour. Kondition und Kraft kommen nicht von heute auf morgen. Man muss schon was dafür tun.
Wahrscheinlich aber nicht nur Sport.
Schinz: Stimmt. Ich rauche nicht und trinke kaum Alkohol. Statt viel Fleisch esse ich viel Gemüse. Aber ein Asket bin auch ich nicht. Ab und zu gönne ich mit einen sehr guten Whiskey und ein, manchmal auch zwei Stück Torte.
Wie nehmen Sie das wahr: Gibt es heute mehr Ältere, die an Extremsport-Events teilnehmen als früher?
Schinz: Auf jeden Fall. Nicht wenige sind auch mit den Veranstaltungen älter geworden, hören also nicht irgendwann auf, sondern sind weiterhin dabei. Immer mehr Ältere findet man vor allem bei den Querfeldeinläufen. Denn dort kommt es, anders als beim Marathon, nicht auf Geschwindigkeit an, sondern darauf, im eigenen Tempo das Ziel zu erreichen. Ob Mann oder Frau, Jung oder Alt – das ist dort vollkommen egal.
Ans Aufhören denken Sie also noch lange nicht?
Schinz: Mit keiner Silbe. Meinen letzten Marathon will ich mit 100 laufen. Aber davor habe ich auch noch so einiges auf dem Zettel. Darunter 2024 einen Ultramarathon in Vietnam, bei dem man 1000 Höhenmeter überwinden muss. Und 2025 dann wieder den OstseeMan, einen Triathlon an der deutschen Ostseeküste. Übermorgen geht es aber erst einmal in die Türkei zum Apnoetauchen.
Was ist denn das?
Schinz: Da taucht man ohne Geräte und mit nur einem Atemzug hinab in die Tiefe. Beim letzten Mal habe ich 26 Meter geschafft, jetzt peile ich 30 Meter an. Ich brauche solche Herausforderungen, damit es mir gut geht. Aber manchmal bin ich schon erstaunt, was mein Körper mit über 70 noch so alles leistet.