Abenteuer im Alter

17.01.2022

„Ich habe so viele Ideen in petto“

Die Zukunft zu gestalten, spendet Glück, sagt der Alpinist Reinhold Messner. Auch im Alter sollte man sich daher neue Ziele setzen. Aber solche, die realistisch sind.

Herr Messner, was hat sich für Sie persönlich mit dem Älterwerden geändert?

Reinhold Messner: In erster Linie bin ich ungefähr alle zehn Jahre umgestiegen in ein neues Leben. Immer dann, wenn ich merkte, „Das kann ich nicht mehr so gut wegen des Alters“, habe ich es in einer anderen Sparte versucht: Felskletterer, Höhenbergsteiger, Grenzgänger in der Horizontalen. Dann habe ich ein Museum auf die Beine gestellt, war fünf Jahre lang in Brüssel in der Politik, habe ein paar Filme gemacht. Und jetzt in der siebten und achten Lebensphase werde ich um die Welt reisen, um mein Erbe weiterzugeben.

Wie sieht denn derzeit Ihr Alltag aus oder gibt es den bei Ihnen gar nicht?

Messner: Jetzt in der Pandemiezeit kann man von Alltag kaum sprechen. Erst wurden über mehr als ein Jahr alle meine Tätigkeiten – Vorträge, Bücher und so weiter – wieder und wieder verschoben. Mit der schrittweisen Öffnung kam das danach wie eine Lawine auf mich zurück. Alle Tage in einer anderen Stadt, alle Tage ein anderes Thema, ehe die Pandemie wieder viele Termine zunichte machte. Noch tue ich mir das an. Ich möchte aber bald wieder ein bisschen strukturierter arbeiten, um eben das Altern, das als Prozess langsam spürbar wird, auch mit Begeisterung ertragen und damit auch die letzten Lebensphasen ausklingen lassen zu können.

Führen Sie eine Liste mit Dingen, die Sie noch machen möchten?

Messner: Nein, ich habe keine solche Liste. Ich habe so viele Ideen in petto für die nächsten Monate und Jahre, dass mir das reicht. Der Rest bleibt offen. Und deshalb möchte ich nicht alles erst auf einer Liste haben, weil dann wird es eine Pflicht. Und das war es bei mir nie.

Was haben Sie denn noch vor?

Messner: Also keine großen Touren mehr. Und ich lasse mich sicherlich auch nicht ins All schicken. Dieser Tourismus ist peinlich, wenn wir an die globale Erwärmung denken. Es gibt ein paar Filmprojekte, die ich noch machen möchte. Nicht als Regisseur für die gespielten Szenen, aber für die Kletterszenen. Das ist nämlich nicht so einfach, da muss man Erfahrung haben. Und die habe ich mir ja aufgebaut. Und wenn ich gebraucht werde, mach ich das mit. Und wenn die Produzenten ohne mich auskommen, reicht es mir, dass sie meine beiden Ideen, die ich dazu geliefert habe, umsetzen.

Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach eine positive Einstellung und Offenheit für Neues für einen guten Alterungsprozess?

Messner: Es ist sehr wichtig, Ideen zu haben und diese auch noch umsetzen zu können. Das heißt, man sollte nicht zu hoch greifen. Wenn ich in meinem Alter etwas machen möchte, was außerhalb meiner Möglichkeiten liegt, dann wäre ich dumm. Es kommt im Alter darauf an, Stückchen für Stückchen, kleinere Brötchen backend, das umzusetzen, was wir uns erträumt haben. Was kann ich jetzt in die Zukunft hineingestalten? Und während dieses Gestaltens, während dieses Tuns, entsteht gelingendes Leben. Und das schenkt uns Glück.

Welche Rolle spielen Ziele, Träume und Leidenschaften im Alter?

Messner: Ziele, Träume, Leidenschaften sind mit das Wichtigste. Ich habe gleich nach Beginn der Pandemie, als ich einigermaßen verstanden habe, was da auf uns zukommt, ein Buch angefangen, um meinem Leben als 77-jähriger Mann eine Struktur zu geben. Das Projekt hatte ich eigentlich schon abgelegt als Idee. Das Buch ist sozusagen mein Erbe an die nächste Generation. Da erzähle ich ganz genau, was eigentlich passiert in uns Menschen, wenn wir an der Grenze unserer Möglichkeiten unterwegs sind.

Sie haben schon extrem viel erlebt und auch überlebt. Denken Sie viel über Vergangenes nach oder ist es Ihnen wichtiger, neue Projekte anzugehen und weiterhin aktiv zu sein?

Messner: Es wird die Zeit kommen, ich habe die noch nicht eingeplant, wo ich mein Archiv in Ordnung bringen werde. Weil nur ich mich auskenne, auch in den vielen Bildern, die es gibt, in den Dias von früher. Aber das schiebe ich bis zum Ende auf. Solange ich die Kraft und auch die Vorstellung habe, dass ich etwas umsetzen könnte, was ich noch nicht geleistet habe oder was möglich sein könnte – es muss ja nicht immer gelingen –, dann werde ich das tun. Das selbstbestimmte Leben bleibt mir hoffentlich bis zum Todestag heilig.