„Eine gesunde Lebensweise hat auch im Alter noch einen Nutzen“
Das Verhalten beeinflusst das Altern mehr als die Gene, sagt Stammzellenforscher Lenhard Rudolph. Und für eine Änderung des Lebensstils ist es nie zu spät.
Prof. Dr. Lenhard Rudolph leitet die Forschungsgruppe „Alterung von Stammzellen“ am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut – in Jena.
Herr Rudolph, was passiert eigentlich im Alter mit unserem Körper?
LENHARD RUDOLPH: Im Körper kommt es dann zu einer Anhäufung von Schäden auf molekularer Ebene. Das betrifft die Zellen, aber auch die Bestandteile der Zellen – wie zum Beispiel die Proteine oder die Erbinformationen. Zudem wird unser Immunsystem schwächer, was zu einem Anstieg des Risikos für Infektionen führt.
Was beeinflusst den Alterungsprozess denn stärker: die Gene oder das eigene Verhalten?
RUDOLPH: In der Medizin weiß man heute, dass die Art und Weise, wie wir altern, zu 30 bis 40 Prozent in unseren Genen festgeschrieben ist. Die anderen 60 bis 70 Prozent hängen von unserer Lebensweise ab. Leben wir gesund? Treiben wir Sport? Ernähren wir uns ausgewogen? Oder haben wir ungesunde Angewohnheiten wie Rauchen oder zu wenig Bewegung? Das alles beeinflusst zu einem Großteil, wie wir altern. Wer seinen Lebensstil hinterfragt, gesund lebt und schädliche Einflüsse meidet, kann folglich gesünder altern.
Muss man damit schon früh beginnen oder lassen sich Schwächen auch noch später „ausbügeln“?
RUDOLPH: Ganz klar: Eine gesunde Lebensweise hat auch im Alter noch einen Nutzen. Es ist also nie zu spät, um den eigenen Alternsprozess positiv zu beeinflussen. Idealerweise sollte man jedoch schon frühzeitig damit beginnen, auf seine Gesundheit zu achten. Denn Einflüsse wie Ernährung, Bewegung oder Rauchen wirken das ganze Leben hindurch. Kurz gesagt: Ein gesundes Leben in jungen Jahren ist vielfach die Voraussetzung für ein späteres gutes Altern.
„Männer leben einfach ungesünder als Frauen.“
Leben Frauen eigentlich gesünder als Männer? Denn schließlich werden sie älter?
RUDOLPH: Ja, durchaus. Frauen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung, werden im Durchschnitt fünf Jahre älter als Männer. Das liegt zum einen an den Hormonen, also daran, dass sich die hormonellen Einflüsse bei Frauen und Männern unterscheiden. Zum anderen sind Männer – zumindest historisch betrachtet – häufig durch die Art der ausgeübten Berufe stärker belastet. Und: Sie leben oftmals einfach ungesünder als Frauen, rauchen mehr, trinken mehr Alkohol.
Die Medizin macht ja große Fortschritte. Wird es Wissenschaftlern in naher Zukunft gelingen, das Altern aufzuhalten, oder gibt es eine natürliche Altersgrenze?
RUDOLPH: Dies wird immer noch diskutiert. Es gibt aber Hinweise, dass eine natürliche Alternsgrenze so bei 100 bis 120 Jahren beim Mensch liegen könnte. Darüber hinaus ist ein wesentlicher Anstieg der Lebenserwartung wahrscheinlich nicht zu erwarten. Was Wissenschaftler realistisch erreichen können, ist, die Ursachen des Alterns besser zu verstehen und so neue Therapien zu ermöglichen, damit wir gesünder alt werden. Das Altern komplett auszuschalten, wird nicht gehen