„Dem Leben einen Sinn zu geben, ist immer ganz wichtig“
Ältere brauchen eine Aufgabe und Bestätigung, sagt Unternehmer Wolfgang Grupp. Für ihn ist es vor allem der Job. Doch auch Hobbys, Familie oder ein Ehrenamt bieten Erfüllung.
Wolfgang Grupp ist Geschäftsführer des Textilunternehmens Trigema. Trotz seiner 78 Jahre denkt er nicht ans Aufhören. Ihm macht die Arbeit Freude.
Herr Grupp, Sie leiten mit 78 Jahren immer noch ein Unternehmen. Wie wichtig ist es, im Alter noch eine Aufgabe zu haben?
Wolfgang Grupp: Das ist nicht nur im Alter wichtig, sondern generell. Das schönste im Leben ist nicht, Geld zu zählen. Sondern das Gefühl haben zu dürfen, von seinen Mitmenschen gebraucht zu werden.
Wie können wir denn verhindern, im Alter auf dem Abstellgleis zu landen?
Grupp: Das liegt an jedem selbst. Wenn ich sehr viel Nonsens mache, keine gescheiten Antworten gebe, dann werde ich von anderen nicht gebraucht. Wenn ich aber positive Antworten gebe, Probleme löse und für die anderen immer noch wichtig bin, dann werde ich sicher nicht aufs Abstellgleis gestellt.
Ein Unternehmen gründen, wäre das auch etwas Sinnstiftendes im Alter?
Grupp: Ich bin eher der Meinung, man sollte das machen, was man zuvor auch gemacht hat. Klar muss man mit der Zeit gehen und neue Dinge ausprobieren. Aber zu meinen, man müsse im Alter beispielsweise in die Politik gehen, weil man sich für super gescheit hält, davon halte ich gar nichts. Schuster bleib bei deinen Leisten. Das ist zehnmal besser als 20 Neugründungen, die dann am Schluss alle nichts sind.
Ich arbeite gerne, und so geht es anderen auch.
Immer mehr Menschen arbeiten ja noch als Rentner. Steckt ihrer Ansicht nach finanzielle Not dahinter oder eher der Wunsch, gebraucht zu werden und sich zu verwirklichen?
Grupp: Es kann natürlich sein, dass jemand weiterarbeitet, weil seine Rente nicht ausreicht. Ich bin 78 und muss das nicht aus finanziellen Gründen tun. Ich arbeite gerne, und so geht es anderen auch. Auch ich habe in meinem Unternehmen Pensionäre, die freiwillig gesagt haben, ich bleibe noch zwei oder drei Jahre. Da war ich dankbar, weil ich die Ressourcen und das Können dieser Leute natürlich dringend gebraucht habe.
Sind starre Altersgrenzen beim Ruhestand angesichts solcher Beispiele noch zeitgemäß?
Grupp: Starre Altersgrenzen sind für mich schon lange nicht richtig. Erstens haben wir Ressourcen, gute Leute, die im Prinzip gerne weiterarbeiten würden. Und die man ruhig nutzen sollte. Und zum anderen: Wenn wir älter werden, dann müssen wir auch mehr in die Rentenkasse bezahlen und folglich länger arbeiten. Ich erwarte von der Politik schon lange, dass das mal gleichmäßig angepasst wird. Man wird ein Jahr älter, also entsprechend zehn Monate länger arbeiten, zwei Monate früher in Ruhestand.
Wie kann man seinem Leben im Alter sonst noch Sinn und Struktur geben?
Grupp: Die wichtigste Aufgabe im Alter ist aus meiner Sicht, dass man seine eigene Familie oder Großfamilie betreut und auf sie achtet. Und dann sollte man natürlich seine Hobbys pflegen. Und auch natürlich anderen helfen oder mithelfen, um der Allgemeinheit etwas Gutes zu tun. Dem Leben einen Sinn zu geben, ist immer ganz wichtig.
Wann planen Sie selbst, sich in den Ruhestand zu verabschieden?
Grupp: Sie haben recht – das ist ja schon lange fällig. Aber ich plane das gar nicht. Das bestimmt ein anderer. Solange ich die Gesundheit und die Kraft habe, dass ich hier noch tätig sein darf und vor allem von meiner Familie und von meinen Mitarbeitern das Gefühl bekomme, dass sie mich noch gerne sehen und brauchen, wäre es fatal, wenn ich sage, ich verabschiede mich jetzt in den Ruhestand. Denn Arbeit macht mir Freude, für mich ist es keine Belastung.
Können Sie denn noch volle Leistung geben oder haben Sie Ihre Arbeitsleistung reduziert?
Grupp: Ich habe meine Arbeitszeiten nicht geändert. Ich mache das so, wie ich es immer gemacht habe: Morgens gehe ich in den Betrieb und bin abends länger da. Aber das ist nicht Arbeit. Das ist Hobby. Ich will wissen, was vorgefallen ist und so weiter. Und mir ist es wichtig, dass meine Mitarbeiter – unabhängig von meinem Alter – bei mir immer die Sicherheit haben: Es ist entschieden und es wird dann auch gemacht. Sie müssen nicht warten, sondern die Entscheidung wird gefällt, wenn sie gebraucht wird.