Geheimnis der Langlebigkeit

26.10.2018

Wie man sehr alt wer­den kann

Wie haben es über 100-Jährige geschafft, so alt zu werden? Die Superalten haben dafür verschiedene Erklärungen. Wissenschaftlich unterfüttert sind sie alle.

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1. Das Leben mit Humor nehmen

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Emiliano Mercado Del Toro

Emiliano Mercado Del Toro (1891-2007)
„Wahrscheinlich liegt es an meinem Sinn für Humor. Ich war immer glücklich.“

Emiliano Mercado Del Toro wurde stattliche 115 Jahre alt. Was dem Puerto Ricaner ein so langes Leben bescherte? Nach eigenen Aussagen sein Sinn für Humor und die Fähigkeit, nicht immer alles so ernst zu nehmen. Bis zum Ende liebte er es, Witze und lustige Anekdoten zu erzählen. Dabei war Mercados Leben nicht immer zum Lachen: Als junger Soldat erlebte er die Schrecken des Ersten Weltkriegs und sein anfängliches Glück bei den Frauen endete stets in Liebeskummer. Sich davon den Optimismus nehmen lassen? Niemals!

Auch eine norwegische Studie attestiert dem Humor eine lebensverlängernde Wirkung: Bis zu 20 Prozent mehr Lebenszeit kann demnach rausschlagen, wer eine positive Denkweise besitzt. Die Ursache sehen Forscher vor allem in der besseren Stressbewältigung, was das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt.

2. Die Arbeit lieben

Anthony Mancinelli (1911-2019)
„Ich denke nicht mal daran, in den Ruhestand zu gehen. Ich bin immer noch gut in Form, es ist die Arbeit, die mich antreibt.“

Mit zwölf Jahren wagte sich Anthony Mancinelli an seinen ersten Haarschnitt. Mit 19 eröffnete der in Italien geborene Amerikaner seinen eigenen Salon. Dort arbeitete er fast bis an sein Lebensende und sicherte sich so als weltweit ältester Frisör einen Eintrag im Guinessbuch der Rekorde.

Auch Studien legen einen Zusammenhang zwischen Renteneintritt und Lebensdauer nahe. Forscher der Oregon State University konnten zeigen: Je später die Studienteilnehmer aufhörten zu arbeiten, desto länger lebten sie. Bei gesunden Rentnern entsprach eine ein Jahr spätere Pensionierung einem elf Prozent geringeren Risiko, vorzeitig zu sterben. Die Gründe sind laut der Wissenschaftler vielfältig: Wer lange ins Berufsleben integriert ist, gibt seinem Leben einen Sinn, bleibt in der Gesellschaft aktiv, fordert sich weiterhin geistig und körperlich. Es muss aber kein Vollzeitjob sein: Auch mit einem Ehrenamt lässt sich der Ruhestand sinnstiftend ausfüllen.

3. Immer in Bewegung bleiben

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Jeanne Calment

Jeanne Calment (1875-1997)
„Ich habe so viel wie möglich ausprobiert. Ich habe vor nichts Angst.“

Sie war Zeitzeugin beider Weltkriege, sah den Eiffelturm, als er noch im Bau war, begegnete Vincent van Gogh und überlebte alle ihre Verwandten: Jeanne Calment wurde 122 Jahre alt und hält damit den Rekord für das höchste Alter, das je ein Mensch erreicht hat. Und das, obwohl sie bis zu ihrem 119. Geburtstag sogar rauchte.

Forscher, die ihren Fall untersuchten, sehen eine Ursache für ihr Rekordalter in ihrer Leidenschaft für den Sport. Schon als junge Frau war die Französin eine begeisterte Tennisspielerin, Schwimmerin und Rollschuhläuferin. Mit 85 entdeckte sie das Fechten für sich, noch mit über 100 fuhr sie Fahrrad. Zeitlebens hatte Calment einen perfekten Body Mass Index – trotz mehreren Tafeln Schokolade wöchentlich und einem Gläschen Portwein am Tag.

Drei Mal pro Woche insgesamt zwei Stunden Sport, so viel braucht es laut Medizinern, um rund sechs Jahre länger zu leben. Vorausgesetzt man tut dies regelmäßig und idealerweise – wie Calment – ein Leben lang. Denn gerade im Alter senkt Sport zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Über 70-jährige Frauen können so ihr Sterberisiko um bis zu 65 Prozent reduzieren. Sehr effektiv wirken neben Tennis auch Gymnastik oder Joggen.

4. Zeitlebens wissensdurstig bleiben

Alexander Imich (1903-2014)
„Es gibt immer noch Dinge, die ich erreichen und lernen möchte.“

Alexander Imich, in Polen geboren und später in die USA emigriert, war zehn Monate alt, als die Gebrüder Wright den ersten Motorflug unternahmen. Mit neun las er in der Zeitung vom Untergang der Titanic. Er überlebt den Holocaust und den sowjetischen Gulag. Den Grund, warum er so lange lebte – Imich wurde 111 Jahre alt – vermutete er nicht nur im Verzicht auf Alkohol und Zigaretten. Vielmehr sei es sein Wissensdurst gewesen, der ihn am Leben hielt, seine Leidenschaft immer wieder neue Dinge zu erforschen. Zoologie, Chemie und Parapsychologie waren nur einige Themen, die ihn brennend interessierten. Sein letztes Buch schrieb er mit 92 Jahren.

Studien verweisen immer wieder auf die große Bedeutung der geistigen Fitness für die Lebensqualität im Alter. Wer sein Gehirn trainiert, gesund lebt und sich bewegt, kann sogar das Auftreten einer Demenz zu einem gewissen Teil beeinflussen. Erst kürzlich sorgte eine US-Studie für Aufsehen: Ihr zufolge kann man durch geistige Aktivität – konkret durch viel lesen – sogar sein Leben verlängern. Bücherwürmer gewinnen laut der Untersuchung fast zwei Jahre!

5. Gute Freunde haben

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Christian Mortensen

Christian Mortensen (1882-1998)
„Freunde und viel singen – das ist es, was dich lange am Leben hält.”

Alkohol war Christian Mortensen zuwider, aber ab und an eine gute Zigarre ließ sich der 115-jährige Däne nicht nehmen. Am liebsten rauchte er diese an einem Abend mit guten Freunden, von denen er viele schon seit Jahrzehnten kannte und schätzte. Der positive Einfluss von Freundschaften ist auch wissenschaftlich belegt.

Menschen mit einem verlässlichen Freundes- und Bekanntenkreis haben ein um 50 Prozent geringes Sterberisiko als jene, die eher wenige soziale Kontakte besitzen. So das Ergebnis einer Studie an der Brigham University in den USA. Denn sie sind aktiver, lassen sich öfter zu Sport oder gesünderer Ernährung animieren und, was das Wichtigste ist, fühlen sich weniger alleingelassen. Denn Einsamkeit ist fast genauso schädlich wie Rauchen, starker Alkoholkonsum oder Fettleibigkeit.

6. Glauben können

Marie-Louise Meilleur (1880-1998)
„Ich habe immer auf meine Religion, auf Gott und Maria vertraut.”

Diese Kanadierin, die 117 Jahre alt wurde, war der festen Überzeugung, dass vor allem ihr Glaube für ihr langes Leben verantwortlich sei. Noch bis ins hohe Alter ging die Katholikin regelmäßig in den Gottesdienst und engagierte sich in ihrer Gemeinde. Zahlreiche Untersuchungen stützen Meilleurs Vermutung, darunter die so berühmte wie umstrittene „Nonnenstudie“, der zufolge Ordensschwestern bis zu sieben Jahre länger leben als Frauen außerhalb von Klostermauern.

Die Gründe dafür gelten laut der Forscher für alle gläubigen Menschen: Wer glaubt, vertraut auf eine höhere Macht, verarbeitet Stress besser, leidet seltener an Depressionen und ist sozial durch eine Gemeinschaft geschützt. Zudem halten religiöse Vorschriften nicht selten zu einem gesünderen Lebensstil an, zum Beispiel durch das Verbot von Tabak und Alkohol.

Für Meilleur war ihr Glaube auch eine fundamentale Hilfe beim Umgang mit Verlusten. In ihrem letzten Lebensjahrzehnt erblindete sie, ihr Ehemann und neun ihrer zwölf Kinder starben weit vor ihr. Ohne Gott, sagte sie, wäre sie daran zerbrochen.

7. Nicht egoistisch sein

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Jeralean Talley

Jeralean Talley (1899-2015)
„Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden willst.”

Als Jeralean Talley mit 115 Jahren starb, kamen viele, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Mitglieder ihrer Baptistengemeinde, unzählige Verwandte und Freunde. Denn die Amerikanerin war beliebt, galt als freundlich und empathisch. Sie half sozial Schwächeren in ihrer Gemeinde, war eine gefragte Ratgeberin und kümmerte sich mit Freude um ihre Enkel- und Patenkinder.

Dass Hilfsbereitschaft in gesundem Maße nicht nur glücklich macht, sondern auch die Lebensdauer verlängern kann, bewies ein internationales Forscherteam an Probanden zwischen 70 und 103 Jahren. Bis zu drei Jahre länger lebten demnach all jene Teilnehmer, die sich um andere kümmerten. Egal, ob materiell oder emotional, ob um Familienmitglieder oder im Rahmen eines Ehrenamts.