Gesundes Altern

12.04.2018

„15 Jahre unse­res Lebens hän­gen am Lebens­stil“

Comedian Eckart von Hirschhausen gibt fünf Tipps für ein langes Leben. Und er sagt, warum Anti-Aging unsinnig ist und wir das Alter locker nehmen sollten.

Herr von Hirschhausen, Ihr neues Bühnenprogramm heißt „Endlich!“ und beschäftigt sich mit der Zeit, dem Älterwerden und dem Tod. Was ist die Kernbotschaft an das Publikum?

ECKART VON HIRSCHHAUSEN: Wenn das Leben endlich ist, wann fangen wir endlich an zu leben? Um diese Frage zu ergründen, ziehe ich alle Register: Es gibt Kabarett, Musik und Zauberei, viel zu lachen und zu staunen. Aber auch was zum Nachdenken und ganz Praktisches zum Mit-nach-Hause-Nehmen:  Ich unterziehe mich und einen Zuschauer einer digitalen Detox-Kur, erkläre wie man gesund zehn Kilo abnehmen kann und animiere das Publikum zu einer gemeinsamen Runde Beckenbodengymnastik. Auf der Bühne bin ich so frei wie nirgendwo sonst, ich kann jeden Abend improvisieren und ausprobieren – das macht mir Spaß und dieser Funke springt auf das Publikum über.

Vor Kurzem sind Sie 50 geworden, für manche ein Anlass, erstmals intensiv über das eigene Älterwerden nachzudenken. Vielleicht auch ein bisschen mit der Zahl zu hadern. War das bei Ihnen auch so?

VON HIRSCHHAUSEN: Sie meinen, ob ich die berühmte Midlife-Crisis hatte? Ich hoffe doch sehr, dass ich in der „Lebensmitte-Krise“ bin, denn das würde ja bedeuten, ich hätte nochmal 50 Jahre vor mir! Nein, ich kann mich wirklich nicht beschweren: Ich kann immer noch alles, was ich mit 20 konnte – halt nur nicht mehr am gleichen Tag (lacht).

Ab wann würden Sie sagen, ist man eigentlich alt?

VON HIRSCHHAUSEN: Wenn man sich beim Schuhezubinden fragt: Was kann ich noch erledigen, wo ich schon mal hier unten bin (lacht). Nein, im Ernst, wissen Sie eigentlich wie viele beruhigende Studien es über das Älterwerden gibt? Erstens nimmt die Lebenszufriedenheit mit dem Alter für gewöhnlich zu. Und zweitens: Je älter man wird, desto älter wird man. Klingt komisch, ist aber so: Statistisch steigt die Lebenserwartung mit jedem Jahr, das man erreicht. Denn wer bis 70 noch nicht gestorben ist, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit 80 als einer, der erst 42 ist und bis 80 noch einige Hindernisse zu bewältigen hat. Das ist doch ein tröstlicher Gedanke!

Die Lebenserwartung steigt – doch wir Menschen verteufeln fast kollektiv das Älterwerden und versuchen, den „Verfall“ mit Mitteln wie Botox oder Faltencremes zu stoppen. Was halten Sie von diesem ganzen Anti-Aging-Wahn?

VON HIRSCHHAUSEN: Ich finde Alterslinien und Lachfalten erstrebenswert und schön. Wenn ich eine Frau sehe, die über 25 ist und keine Fältchen an den Augen hat, dann frage ich mich nicht: Was hat die für eine Creme? Ich frage mich: Was hat die für eine Lebenseinstellung? Mit der möchte ich nicht im Fahrstuhl stecken bleiben, wenn Sie wissen, was ich meine… Ganz ehrlich, wäre es nicht das Schlimmste, wenn Anti-Aging wirklich funktionieren würde? Dein Körper wird jünger, aber dein Geist wird älter. Irgendwann hast du Alzheimer, kommst aber körperlich gerade zurück in die Pubertät. Du kannst wieder – weißt aber nicht warum. Ist das ein Lebenstraum? Ewig jung zu sein, ewig zu leben wäre nur eins: sterbenslangweilig! Nur durch die Endlichkeit bekommt jeder Moment seinen Wert, seine Tragik oder Komik.

Statistisch betrachtet kann ein heute 65-jähriger Mann im Schnitt noch mit knapp 20 Jahren rechnen, eine gleichaltrige Frau hat sogar noch 23 Jahre vor sich. Voraussetzungen, von denen unsere Großeltern nur träumen konnten. Betrachten Sie die steigende Lebenserwartung als Chance auf wertvolle „Bonusjahre“ oder verlängert sie nur das „Leiden“ im Alter?

VON HIRSCHHAUSEN: Ich finde „Bonusjahre“ ein sehr schönes Wort, viel schöner als Restlebenszeit. Die steigende Lebenserwartung kann ein Geschenk sein, aber ich möchte auch nicht beschönigen, dass es am Ende des Lebens auch Schmerzen und Situationen der Verzweiflung gibt. Aber aus Angst vor dieser letzten Phase die ganze Zeit in Sorge zu verbringen, ist echte Zeitverschwendung. Ich will vor allem rüberbringen: Seid nicht die ganze Zeit gegen das Leben. Ich bin Anti-Anti-Aging! Wir sind biologisch mit zwei Programmen ausgestattet: Vermehr Dich und verzieh Dich. Bringe etwas Neues in die Welt – seien es Kinder oder Ideen – und dann steh dem Neuen nicht ewig im Weg. In einem meiner Lieblingscartoons, den ich jeden Abend auf der Bühne zitiere, sagt Charly Brown: „Eines Tages werden wir alle sterben“, darauf antwortet ihm Snoopy: „Ja, aber an allen anderen Tagen nicht.“.

Das Alter hat also nicht nur etwas mit der Zahl im Personalausweis zu tun, sondern vor allem mit der Art, wie man sein Leben lebt?

VON HIRSCHHAUSEN: Für die aktuelle Ausgabe meines Gesundheitsmagazins HIRSCHHAUSEN GESUND LEBEN durfte ich die Schimpansenforscherin und Naturaktivistin Jane Goodall interviewen, für mich eines meiner größten Vorbilder. Sie zeigte mir nicht nur, wie sich Schimpansen begrüßen, sondern erklärte mir auch, warum Affen Sinn für Humor haben. Es war ein sehr intensives Gespräch. Jane Goodall ist 83 und eine der aktivsten und unermüdlichsten Kämpferinnen, die ich kenne – und das in einem Alter, in dem andere schon seit 20 Jahren in Pension sind. Alter ist ganz sicher mehr als nur eine Zahl, sondern eine Lebenseinstellung.

Trotzdem haben wir, wenn wir älter werden, oft das Gefühl, dass die Zeit rast, dass wir überhaupt keine Zeit haben. Wie gelingt es uns, bewusster zu leben?

VON HIRSCHHAUSEN: Ist es nicht eigentlich lustig, dass wir länger leben als jede Generation vor uns, und trotzdem das Gefühl haben, wir hätten keine Zeit? Das muss nicht so sein. Erinnern Sie sich noch an den ersten Kuss? Und den 17. Geburtstag? Unser Gehirn gibt Dingen, wenn sie das erste Mal passieren, mehr Aufmerksamkeit. Ein guter Trick, die Zeit zu verlangsamen, ist also aus der Routine auszubrechen und sich immer wieder neue Dinge anzueignen. Ich selber habe gerade wieder angefangen, Gitarre zu spielen, so wie ich das schon mal als Jugendlicher gemacht habe. Plötzlich fühle ich mich wieder wie am Lagerfeuer, freue mich aber gleichzeitig, dass ich danach nicht auf einer Luftmatratze schlafen muss. Das ist bestes emotionales Anti-Aging.

Und was hilft noch? Haben Sie vielleicht eine Formel für ein langes, gesundes und glückliches Leben?

VON HIRSCHHAUSEN: Ganz einfach, der beste Trick sein Leben zu verlängern ist, alles wegzulassen, was es verkürzt. In meinem Bühnenprogramm „Endlich!“ bringe ich es ganz einfach auf den Punkt: 15 Jahre unseres Lebens hängen am Lebensstil. Es gibt keine Tablette, keine Operation und erst recht keine Creme, die uns besser schützen als fünf ganz einfache Dinge des Alltags: nicht rauchen, sich bewegen, Gemüse essen – und: erwachsen werden und Kind bleiben.

Humor spielt also auch eine Rolle?

VON HIRSCHHAUSEN: Von Karl Valentin stammt der weise Satz: Wenn es regnet, freue ich mich. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch. Humor ist überhaupt nichts Oberflächliches, sondern das tiefe Einverständnis in die Widersprüchlichkeit, in die Absurdität und die unauflösbaren Rätsel unserer Existenz. Der Humor wurde uns geschenkt als Ausweg und Trost, damit wir über Dinge, die wir nicht ändern können, nicht verrückt werden oder verzweifeln. Ich habe gerade ein tolles Beispiel erlebt, wo mich ein elfjähriges Mädchen zu meiner neuen CD mit Kinderwitzen interviewt hat. Ganz beiläufig erwähnte sie, dass ihre Mutter Brustkrebs hat und gerade Chemotherapie bekommt. Und dann erzählte sie, dass sie das doof fand, die Glatze unter einem Tuch oder einer Perücke zu verstecken, weil man das ja trotzdem sofort sieht, dass was nicht stimmt. Als die beiden zu einem Konzert gingen, pappte sie ihrer Mutter ein Abziehbild, ein Schmetterlings-Tattoo mitten auf die Glatze. Und damit zeigte sie, ohne sich der Tragweite dieser „Deko“ bewusst zu sein: Ja – die Glatze ist da, aber wir verstecken sie nicht, wir schämen uns nicht dafür – wir machen das Beste draus!

Zum Schluss eine kleine Zeitreise: Stellen Sie sich einmal den 80-jährigen Eckart von Hirschhausen vor. Was kommt Ihnen da für ein Bild in den Sinn?

VON HIRSCHHAUSEN: Da ich meinem Vater immer ähnlicher werde, weiß ich sogar, dass meine Haare irgendwann weiß werden – und ich hoffentlich auch ein bisschen weise! In meiner Arztausbildung habe ich noch gelernt, Alter und den Tod als bösen Feind zu betrachten. Was für ein Quatsch. Trotzdem habe auch ich Angst vor dem Übergang ins Alter, dass ich mich dann ständig vergleiche und ärgere, was vielleicht nicht mehr geht. Aber ich habe viele Alte getroffen, die mir die Angst genommen haben. Und der einzige Rat, den ich Ihnen zum Schluss geben kann: Leben Sie jetzt. Klingt banal. Aber später ist das Jetzt von jetzt vorbei. Für immer. Das Leben ist wie eine Wunderkerze. Es brennt ab. So oder so. Wundern müssen wir uns selber