Grüner Erholungsraum

18.06.2018

Wie Gar­ten­ar­beit Kör­per und Geist belebt

Wer sich länger vollster Gesundheit erfreuen möchte, sollte viel im Garten arbeiten. Ärzte nutzen diese alte Erkenntnis für moderne Therapien.

© upixa / stock.adobe.com

Grubbern, jäten, pflanzen: Gartenarbeit ist ein therapeutisches Instrument und idealer Beitrag zum längeren Leben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zweifellos viel um die Ohren. Wenn es für sie besonders dicke kommt, sagt sie, zieht sie sich gern in die grünen Bereiche ihres Kanzleramtes zurück. „Wir haben hier wunderbare Gärtner. Wenn man schwere Probleme hat, freut mich das besonders“, erklärte sie den Besuchern beim jüngsten Tag der offenen Tür in ihrem Haus an der Spree.

Gartenarbeit stärkt die eigene Identität

Wer den grünen Selbstversuch wagt, merkt schnell: Ein Garten kann nur mit einer Vision Zeit und den Händen in der Erde gestaltet werden. Wie gut Gartenarbeit wirklich tut, ist mittlerweile untersucht. So hat eine Arbeitsgruppe der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien nachgewiesen, dass sich der Mix aus frischer Luft, Licht, Farbe und körperlicher Aktivität grundsätzlich wohltuend auf Körper, Geist und Seele auswirkt.  Erkannt haben die Wissenschaftler auch: Arbeit im Garten kann die Identität eines Menschen aufrechterhalten. Ein wichtiger Punkt für jene, die in den Ruhestand gehen und nach einem langen Arbeitsleben nach neuen Aufgaben suchen.

„Gärten stehen immer für Veränderungen, für die Bewältigung wechselnder Herausforderungen, für flexible Anpassung, für Improvisation, Genuss und Engagement“, weiß Fritz Neuhauser, Allgemeinarzt und Psychotherapeut aus Wien. Der Experte für Gartentherapie ist davon überzeugt, dass das Grubbern auf der Scholle Abhilfe bei Lethargie und Leere schafft, dafür den Tag strukturiert – und das in jedem Alter.  Depressive und emotional belastete Menschen profitierten besonders: Denn wer sein Grünzeug hegt und pflegt, ist in der Lage, Ängste und Sorgen im gleichen Moment zu verbannen.

Der perfekte Ausgleich zur Büroarbeit

Gerade auch für Menschen im Büro ist das Thema relevant: Durch die Arbeit am PC lassen motorische Fähigkeiten nach und die Atmung flacht ab. Ganz anders beim Beackern eines Grünareals. Wer jätet, vertikutiert, zieht und zupft, atmet automatisch tiefer ein und aus. Um 50 Prozent erhöht sich das Volumen. Bereits 20 Minuten regelmäßig ausgeführt, gleichen den Blutdruck aus und senken die Herzfrequenz, weiß Neuhauser, der folgerichtig von der „Sportart Gärtnern“ spricht. Der Bewegungsapparat werde gestärkt und der Cholesterinspiegel sinke. Gärtner konzentrieren sich besser und bauen Stress ab, noch während sie der Brennnessel den Garaus machen.

Nicht zuletzt ist der Garten der nächstgelegene Erholungsraum. Je älter man wird, umso stärker wiegt dieser Effekt. Wenn die Kräfte schwinden, bleibt er ein treues Ausflugsziel für jeden neuen Tag. In der Geriatrie wird die Gartenarbeit gezielt eingesetzt. Dort nutzt man weitere Effekte. Das „geriatrische Gärtnern“ stärkt die Teamfähigkeit. Die Menschen fühlen sich weniger einsam. Zusätzlich wird ihnen mit der Pflege der Pflanzen Verantwortung übertragen.

In offenen Gärten inspirieren lassen

Wer mehr Inspiration sucht: Die Aktion „Offene Gärten“ bietet seit einigen Jahren bundesweit die Möglichkeit, besonders prächtige Privat-Gärten zu besichtigen. Wie ein grünes Band ziehen sich die mehr als tausend Grundstücke quer durch die Republik. Jedes Jahr im Frühling und dann noch einmal im Herbst öffnen die Eigner an einem Wochenende die Pforten zu ihren grünen Schätzen. Wie zum Beispiel  das Ehepaar Teresa Eden und Werner Wagenmann. Fans der asiatischen Gartenkunst kommen beim Anblick ihrer eindrucksvollen Anlage in Berlin-Frohnau gleich an der Gartenpforte ins Staunen. Durch das Grundstück mit Waldcharakter zieht sich ein Bachlauf, der in einen tiefen Teich mündet. Im Wasser drehen bunte Kois Runden. Sieben verschiedene Sorten Ahorn zieren das Areal, ergänzt von mächtigem Bambus, der ein kreisrundes „Mondtor“  säumt.

Weil ein Garten überrascht und strukturiert

Seit über 30 Jahren formen die beiden ihren Garten. Und er formt sie. Beide gehen auf die 80 zu, wirken aber deutlich jünger. „Die Gartenarbeit hält uns auf Trab und beschert uns viele glückliche Stunden in der Woche“, erzählt Wagenmann gelöst und bestätigt die Aussagen des Wiener Arztes Neuhauser. Zwischendurch zieht es das Paar immer wieder auf  Reisen. Kehren sie heim, präsentiert sich ihr Zuhause stets in neuem Gewand.  Kein Wunder also, dass der Garten synonym als „Jungbrunnen“ bezeichnet wird. Steht er doch im Grunde für den ständigen Neuanfang und das blühende Leben.

Ein Aspekt, der gerade auch für die viel beschäftigte Bundeskanzlerin von hoher Relevanz sein dürfte: Wenn sie Sonntags beim Pikieren der Tomaten tief durchatmet und im gleichen Moment die Gedanken an die Politik ad adcta legen kann.