Effekt des Lesens

12.07.2019

Seite um Seite zum län­ge­ren Leben

Wer regelmäßig liest, lebt länger und ist glücklicher. Doch ehe alle Käufer von Klatschblättern frohlocken: Es kommt auch auf die Lektüre an.

© noipornpan / Getty Images

Bücher können unser Leben verlängern. Bücherwürmer leben im Schnitt zwei Jahre länger, als Nichtleser. 

Ein gutes Buch ist nicht nur ein Buch. Ein gutes Buch nimmt den Leser mit an ferne Orte, in fremde Kulturen oder in das Leben eines anderen. Zeilen, Seiten, Kapitel eröffnen eine neue Welt und reißen den Leser aus seinem Alltag.

Lesen bietet aber nicht nur Ablenkung, es verlängert auch das Leben. „Wer nur eine halbe Stunde täglich mit dem Lesen eines Buches verbringt, hat einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber Nichtlesern“, erklärt Becca R. Levy von der Yale-University.

Studie belegt positiven Effekt des Lesens

Ihre Aussage fußt auf Ergebnissen einer Langzeitstudie, an der Levy als Autorin beteiligt war. Für die Untersuchung wurden rund 3.600 Menschen, die über 50 Jahre alt waren, in drei Gruppen eingeteilt: die Nichtleser, Personen, die wöchentlich bis zu 3,5 Stunden lasen, und die Bücherwürmer, die mehr als 3,5 Stunden pro Woche schmökerten. Nach zwölf Jahren stand fest: Vielleser lebten im Schnitt fast zwei Jahre länger als Nichtleser. Andere Einflussfaktoren auf die Lebenserwartung wie Geschlecht, Gesundheitszustand, Bildung und Alter wurden dabei schon ausgeklammert.

 Die Gründe für die längere Lebenszeit von Leseratten liegen noch im Dunkeln. Lesen regt zwar nachweisbar die Vorstellungskraft an und trainiert die kognitiven Fähigkeiten. Neben der Konzentration wird auch die emotionale Intelligenz gefördert und das Vokabular erweitert. Doch ob es genau diese positiven Effekte sind, die sich lebensverlängernd auswirken, ist bislang unklar.

Bücher wirken lebensverlängernd, Zeitungen nicht

Sicher ist aber: Nur das Bücherlesen verlängert das Leben. Das Schmökern in Zeitungen und Zeitschriften hat hingegen keinen signifikanten Einfluss auf die Lebenserwartung. Das nährt den Verdacht, dass das kognitive Training schon eine wichtige Rolle spielt.

Anders als bei einer Zeitung steigt der Leser bei Lektüre eines Buches tief in die Geschichte ein. Das Gehirn ist mehr gefordert. Es muss Zusammenhänge herstellen, Bezüge zwischen den Kapiteln finden und kritisch hinterfragen. „Deep Reading“ nennt man diesen Zustand – ein optimales Training fürs Gehirn und die beste Prävention für den kognitiven Verfall im Alter. Dabei spielt es keine Rolle, ob in einem Roman, Krimi oder Sachbuch gelesen wird.

Leser sind glücklicher als Nichtleser

Möglicherweise ist es auch die höhere Lebenszufriedenheit, die Bücherwürmer länger leben lässt. Denn Leser sind glücklicher. Das ergab eine Untersuchung in Großbritannien. Bei Personen, die nur 20 Minuten pro Woche lasen, war demnach die Wahrscheinlichkeit, dass sie zufrieden mit ihrem Leben waren, um ein Fünftel höher als bei Nichtlesern. Diese berichteten dagegen häufiger von Depressionsgefühlen.

Die positive Wirkung des Lesens auf das Wohlbefinden führt Studien-Autorin Josie Billington von der Universität Liverpool zum einen auf den Entspannungseffekt zurück. Durch die Konzentration bei der Lektüre und das Eintauchen in eine Parallelwelt würden die eigenen Sorgen und Belastungen verschwinden. Leser könnten zudem leichter mit Lebenskrisen umgehen. Denn Bücher stärken laut Billington die Fähigkeit, schwierige Situationen zu bewerten, alternative Lösungen zu entwickeln und sich zu entscheiden.